Offene und abgeschlossene Mengen

Aussagen über offene und abgeschlossene Mengen sind wichtige Hilfsmittel in der gesamten Analysis (für uns ist insbesondere die Anwendung im Bereich der Stetigkeit von Belang).

Definitionen

1a) Eine Menge $M\subset \mathbb R$ heißt offen, wenn es zu jedem $x\in M$ eine $\varepsilon$-Umgebung $U=U_{\varepsilon}(x)$ gibt, die komplett in $M$ liegt: $U\subset M$.

1b) Eine Menge $A\subset \mathbb R$ heißt abgeschlossen, wenn der Grenzwert jeder konvergenten Folge $(x_n)$, deren Glieder alle in $A$ liegen, wieder in $A$ liegt.

Etwas allgemeinere Begriffe erhält man durch folgende Erweiterungen:

2a) Eine Menge $G\subset X\subset \mathbb R$ heißt $X$-offen oder relativ offen bezüglich der Menge $X$, wenn es zu jedem $x\in G$ eine $\varepsilon$-Umgebung $U=U_{\varepsilon}(x)$ derart gibt, dass (zwar vielleicht nicht $U$ selbst, jedenfalls aber doch) die "Relativumgebung" $U\cap X$ komplett in $G$ liegt: $U\cap X\subset G$.

2b) Eine Menge $F\subset X\subset \mathbb R$ heißt $X$-abgeschlossen oder relativ abgeschlossen bezüglich der Menge $X$, wenn der Grenzwert jeder konvergenten Folge $(x_n)$, deren Glieder alle in $F$ liegen und die gegen ein Element von $X$ konvergiert, sogar in $F$ liegt.

Bei der relativen Offen- bzw. Abgeschlossenheit ignoriert man also die Punkte außerhalb der Menge $X$. Ein Beispiel: Betrachten wir die Menge $F$ aller rationalen Zahlen im Intervall $[0,1]$. Die Menge $F$ ist natürlich weder offen noch abgeschlossen. Die Situation ändert sich jedoch, wenn man als "Grundmenge" $\mathbb Q$ anstelle von $\mathbb R$ betrachtet. Dann ist $F$ natürlich $\mathbb Q$-abgeschlossen (allerdings nicht $\mathbb Q$-offen).

Trivialerweise gilt: Die Offenheit bzw. Abgeschlossenheit einer Menge ist äquivalent zu der relativen Offenheit bzw. Abgeschlossenheit dieser Menge bezüglich $\mathbb R$.

Wir möchten noch darauf hinweisen, dass eine Menge nicht entweder abgeschlossen oder offen sein muss. Es gibt sowohl Mengen, die keine der beiden Eigenschaften haben (man betrachte ein halboffenes Intervall) als auch Mengen, die sowohl offen als auch abgeschlossen sind. (Z.B. die leere Menge und $\mathbb R$ selbst. Wir werden später sehen, dass dies die einzigen Teilmengen von $\mathbb R$ sind, die sowohl abgeschlossen als auch offen sind.) Entsprechendes gilt für die Begriffe der relativen Offenheit und Abgeschlossenheit.

Der Allgemeinheit wegen beweisen wir alle Aussagen gleich für relativ offene bzw. relativ abgeschlossene Mengen. Im Folgenden sei $X$ immer eine Teilmenge von $\mathbb R$.

Zusammenhang zwischen offenen und abgeschlossenen Mengen

Einer der wichtigsten Sätze über offene und abgeschlossene Menge ist der folgende, der eine Verbindung zwischen den beiden Begriffen herstellt und mit dem sich bestimmte Aussagen über offene (bzw. abgeschlossene) auf abgeschlossene (bzw. offene) Mengen übertragen lassen, wobei man die Aussage meistens nicht direkt übernehmen kann. Man wird eine modifzierte ("komplementäre") Aussage erhalten, aufgrund des Bezugs zum Komplement durch den folgenden Satz:

Satz: $M\subset X$ ist genau dann $X$-offen, wenn das (relative) Komplement $\overline{M}=X\setminus M$ abgeschlossen ist. (Umgekehrt gilt natürlich die gleiche Aussage)

Beweis: "$\Rightarrow$": Sei $M$ zunächst $X$-offen. Angenommen, $\overline{M}$ wäre nicht $X$-abgeschlossen. Dann gäbe es eine Folge $(x_n)$, deren Glieder alle in $\overline{M}$ lägen, mit Grenzwert $x\in X$, aber $x\notin \overline{M}$. Dies hieße, dass $x\in M$ gelten würde. Da $M$ relativ offen bezüglich $X$ ist, gäbe es dann eine Umgebung $U=U_{\varepsilon}(x)$, sodass $(U\cap X)\subset M$. In dieser Umgebung müssten aber fast alle Glieder der Folge $(x_n)$ liegen und damit müsste für diese Glieder auch $x_n\in M$ gelten, Widerspruch!

"$\Leftarrow$": Sei $\overline{M}$ nun $X$-abgeschlossen. Auch hier setzen wir einen Widerspruchsbeweis an. Wir nehmen also an, $M$ wäre nicht $X$-offen. Dann gibt es ein $x\in M$, sodass für alle $\varepsilon>0$ ein $x\in (X\cap U)$, mit $U=U_{\varepsilon}(x)$, existiert, welches nicht in $M$ liegt: $x\notin M$, also $x\in \overline{M}$. D.h. dass zu jedem $n\in\mathbb N$ ein $x_n\in X$ existiert mit $|x_n-x|<\frac{1}{n}$ und $x_n\in \overline{M}$. $x_n$ konvergiert natürlich gegen $x$ und da alle Glieder dieser Folge in $\overline{M}$ liegen, außerdem $x$ ein Element von $X$ und $\overline{M}$ nach Voraussetzung $X$-abgeschlossen ist, muss dann auch $x\in\overline{M}$ gelten, Widerspruch! $\Box$

Sätze über offene Mengen

Durchschnitt und Vereinigung

Satz: (1) Sei eine Familie $(G_j)_{j\in J}$ beliebig vieler $X$-offener Teilmengen von $X$ gegeben (wobei also $J$ eine völlig beliebige Indexmenge sei). Dann ist auch die Vereinigung

(1)
\begin{align} G:=\bigcup_{j\in J}~G_j \end{align}

relativ offen bezüglich $X$.
(2) Der Durchschnitt

(2)
\begin{align} G:=\bigcap_{i=1}^n~G_i \end{align}

endlich vieler $X$-offener Mengen $G_1,\ldots,G_n$ ist wieder $X$-offen.

Beweis: (1) O.B.d.A. sei $J$ nichtleer. Sei $x\in G$ ein beliebiges Element in der Vereinigung aller $X$-offenen Mengen. Dann gibt es ein $j\in J$, sodass $x\in G_j$ liegt. Da $G_j$ relativ offen bezüglich $X$ ist, existiert eine Umgebung $U(x)$ mit $(U(x)\cap X)\subset G_j$. Wegen der trivialen Inklusion $G_j\subset G$ ist somit auch $(U(x)\cap X)\subset G$. Dies bedeutet aber gerade, dass $G$ relativ offen bezüglich $X$ ist.

(2) Sei $x\in G$ beliebig. Dann liegt $x$ in jedem $G_k,\ k=1,\ldots,n$ und wegen der $X$-Offenheit jeder dieser Mengen gibt es jeweils ein $\varepsilon_k>0$, sodass $(U_{\varepsilon_k}(x)\cap X)\subset G_k$ ist. Sei $\varepsilon:=\min(\varepsilon_1,\ldots,\varepsilon_n)$. Dann gilt $(U_{\varepsilon}(x)\cap X)\subset (U_{\varepsilon_k}(\xi)\cap X)\subset G_k$ für jedes $k\in \{1,\ldots,n\}$. Also liegt $U_{\varepsilon}(x)\cap X$ komplett innerhalb jeder Menge $G_k$ und damit auch komplett im Durchschnitt all dieser Mengen: $(U_{\varepsilon}(x)\cap X)\subset G$. $\Box$

Zusammenhänge zwischen Offenheit und relativer Offenheit

Satz: Eine Menge $G\subset X$ ist genau dann $X$-offen, wenn eine offene Menge $M\subset\mathbb R$ existiert mit $G=M\cap X$.

Beweis: "$\Rightarrow$": Sei die Menge $G$ relativ offen bzgl. $X$. Dann existiert zu jedem $x\in G$ ein $\varepsilon(x)>0$, sodass $(U_{\varepsilon(x)}(x)\cap X)\subset G$ ist. Sei

(3)
\begin{align} M:=\bigcup_{x\in G}~U_{\varepsilon(x)}(x). \end{align}

$M$ ist die Vereinigung offener Intervalle, also selbst wieder offen (s.o.). Wir müssen noch $G=M\cap X$ zeigen. $G\subset M$ ist trivial und wegen $G\subset X$ ist damit auch $G\subset (M\cap X)$. Andererseits gilt:

(4)
\begin{align} M\cap X=\left(\bigcup_{x\in G}~U_{\varepsilon(x)}(x)\right)\cap X=\bigcup_{x\in G}~(U_{\varepsilon(x)}(x)\cap X). \end{align}

Für alle $x\in G$ gilt aber $(U_{\varepsilon(x)}(x)\cap X)\subset G$. Dann ist die Vereinigung all dieser Mengen aber auch eine Teilmenge von $G$:

(5)
\begin{align} M\cap X=\left(\bigcup_{x\in G}~(U_{\varepsilon(x)}(x)\cap X)\right)\subset G. \end{align}

Damit ist insgesamt $G=M\cap X$.
"$\Leftarrow$": Sei $G=M\cap X$ mit offenem $M$. Sei $x\in G$ beliebig. Dann liegt $x$ auch $M$ und damit gibt es ein $\varepsilon>0$, sodass $U_{\varepsilon}(x)\subset M$. Dann ist aber natürlich auch $(U_{\varepsilon}(x)\cap X)\subset (M\cap X)=G$, was bereits die $X$-Offenheit von $G$ zeigt. $\Box$

Satz: (1) Ist $G\subset \mathbb R$ offen, so auch $X$-offen für beliebiges $X\subset \mathbb R$ mit $G\subset X$.
(2) Ist $G\subset X$ relativ offen bezüglich $X$ und ist $X$ offen, so ist auch $G$ selbst offen.

Beweis: (1) Wegen $G=G\cap X$ folgt diese Aussage direkt aus dem letzten Satz.
(2) Sei $x\in G$ beliebig. Dann ist $x\in X$ und infolgedessen existiert ein $\delta>0$, sodass $U_{\delta}(x)\subset X$ ist. Außerdem gibt es wegen der relativen Offenheit ein $\gamma>0$, sodass $(U_{\gamma}(x)\cap X)\subset G$ ist. Sei $\varepsilon:=\min\{\gamma,\delta\}>0$. Dann ist $U_{\varepsilon}(x)\subset U_{\delta}(x)\subset X$ und damit $(U_{\varepsilon}(x)\cap X)=U_{\varepsilon}(x)$. Außerdem gilt aber $U_{\varepsilon}(x)\subset U_{\gamma}(x)$, also

(6)
\begin{align} U_{\varepsilon}(x)=(U_{\varepsilon}(x)\cap X)\subset (U_{\gamma}(x)\cap X)\subset G \end{align}

und dies zeigt, dass $G$ offen ist. $\Box$

Charakterisierung offener Mengen

Hilfssatz: Sei $G\subset \mathbb R$ eine Menge und $x\in G$ beliebig. Es sei

(7)
\begin{align} I(x):=\bigcup_{x\in I'\subset G}~I' \end{align}

die Vereinigung aller offenen Intervalle, die $x$ enthalten und Teilmenge von $G$ sind. Dann ist auch $I(x)$ ein offenes Intervall, das $x$ enthält und Teilmenge von $G$ ist. Ist $G$ sogar offen, so gehören die Randpunkte von $I(x)$ nicht zu $G$, d.h. dass $I(x)$ das "größte" Intervall ist, welches $x$ enthält und Teilmenge von $G$ ist (jedes Intervall $I_0\subset G$ mit$x\in I_0$ und $I\subset I_0$ ist bereits $=I$).

Beweis: Dass $x\in I(x)$ und $I(x)$ eine Teilmenge von $G$ ist, sieht man sofort ein. Ein Intervall ist es deshalb, weil

(8)
\begin{align} \left(\bigcap_{x\in I'\subset G}~I'\right)\supset \{x\}\neq \varnothing \end{align}

gilt und damit der Durchschnitt all dieser Intervalle nichtleer ist, denn daraus folgt die Intervalleigenschaft direkt aus dem letzten Satz in diesem Artikel.
Dass dieses Intervall nun auch offen ist, folgt einfach aus der Tatsache, dass alle Intervalle $I'$ offen sind und die Vereinigung beliebig vieler offener Mengen wieder offen ist (siehe oben).
Sei nun zusätzlich auch noch $G$ offen und $I(x)=(a,b)$. Läge $a$ in $G$, so gäbe es wegen der Offenheit von $G$ eine Umgebung $U_{\varepsilon}(a)\subset G$. Sei $c:=\min\{b,a+\varepsilon\}$. Dann gilt:

(9)
\begin{align} &a<\frac{a+c}{2}\leq \frac{a+b}{2}<b\cr &\left|\frac{a+c}{2}-a\right|=\frac{c-a}{2}\leq \frac{a+\varepsilon-a}{2}=\frac{\varepsilon}{2}<\varepsilon.\cr \end{align}

Das bedeutet: $\frac{a+c}{2}\in (a,b)$ und $\frac{a+c}{2}\in U_\varepsilon(a)$. Damit ist $U_{\varepsilon}(a)\cap I(x)\neq\varnothing$ und wegen des Hilfssatzes in dem Artikel über Intervalle ist damit auch $I_0:=U_{\varepsilon}(a)\cup I(x)$ ein Intervall, welches als Vereinigung zweier offener Mengen ebenfalls offen ist, also insgesamt ein offenes Intervall, welches natürlich $x$ enthält und Teilmenge von $G$ ist. Nun liegt $a$ in $I_0$, jedoch nicht in $I(x)$, was aber doch ein Widerspruch zur Definition von $I(x)$ ist, weil doch $I_0\subset I(x)$ sein müsste - $I(x)$ sollte ja die Vereinigung aller offenen Intervalle sein, die $x$ enthalten und Teilmenge von $G$ sind. Somit kann also $a$ doch nicht zu $G$ gehören. Entsprechend sieht man dies für $b$ ein und damit ist alles gezeigt. $\Box$

Satz: Eine Menge $G\subset \mathbb R$ lässt sich (genau dann) als Vereinigung höchstens abzählbar vieler offener, paarweise disjunkter Intervalle darstellen, wenn sie offen ist.

Beweis: Die Hinrichtung ist trivial (dafür könnten es sogar beliebig viele Intervalle sein).
Zur Rückrichtung: Sei also $G$ offen und $x\in G$ beliebig. Wir definieren $I(x)$ wie oben, d.h.

(10)
\begin{align} I(x)=\bigcup_{x\in I'\subset X}~I', \end{align}

wobei also alle offenen Intervalle, die $x$ enthalten und Teilmenge von $G$ sind, vereinigt werden. Aus dem vorigen Hilfssatz erkennen wir, dass $I(x)$ ein offenes Intervall ist, das $x$ enthält, Teilmenge von $G$ ist und deren Randpunkte nicht zu $G$ gehören. Sei

(11)
\begin{align} M:=\bigcup_{x\in G}~I(x) \end{align}

die Vereinigung all dieser Intervalle. Trivialerweise gilt $M\subset G$ und wegen $x\in I(x)\subset M$ für alle $x\in G$ muss dann auch $G\subset M$ sein, also insgesamt $M=G$, d.h.:

(12)
\begin{align} G=\bigcup_{x\in G}~I(x). \end{align}

Für zwei Elemente $x,y\in G$ definieren wir nun eine Relation $\sim$ durch

(13)
\begin{align} x\sim y:\Leftrightarrow x\in I(y). \end{align}

Man sieht schnell, dass dies eine Äquivalenzrelation ist: $x\sim x$ ist trivial. Sei $x\sim y$, also $x\in I(y)$. Dann ist zunächst $x\in G$ und damit $I(x)$ definiert. Es gilt somit $I(y)\subset I(x)$ wegen der Definition von $I(x)$, also insbesondere $y\in I(x)$, d.h. $y\sim x$. Und da $y\in I(x)$ liegt, muss - wiederum wegen der Definition von $I(y)$ - nun auch $I(x)\subset I(y)$ sein, insgesamt also $I(x)=I(y)$. Ist [[I(x)=I(y)$]], so gilt natürlich trivialerweise $x\sim y$. Wir haben somit:

(14)
\begin{align} x\sim y\Leftrightarrow y\sim x\Leftrightarrow I(x)=I(y). \end{align}

Ist nun $x\sim y,y\sim z$, so ist $I(x)=I(y),I(y)=I(z)$, also $I(x)=I(z)$ und damit auch wieder $x\sim z$. $\sim$ erfüllt also alle Eigenschaften einer Äquivalenzrelation.
Betrachten wir die Äquivalenzklassen dieser Relation. Für $x\in G$ ist eine solche gegeben durch

(15)
\begin{align} [x]=\{y\in G\ |\ y\sim x\}=\{y\in G\ |\ y\in I(x)\}=I(x). \end{align}

Bekanntermaßen ist die Menge $A:=\{I(x)\ |\ x\in G\}$ eine Partition von $G$, d.h. es gilt

(16)
\begin{align} G=\bigcup_{x\in G}~I(x) \end{align}

und $I(x)=I(y)$ oder $I(x)\cap I(y)=\varnothing$ für $x,y\in G$. Jede Äquivalenzklasse stellt ein nichtleeres Intervall der reellen Zahlen dar. D.h., dass in jeder Äquivalenzklasse mindestens eine rationale Zahl liegen muss. Wir wählen aus jeder Äquivalenzklasse $[x]=I(x)$ eine rationale Zahl $r$ als Repräsentanten dieser Äquivalenzklasse aus. Dann wird jede Äquivalenzklasse durch eine rationale Zahl repräsentiert und diese Zahlen sind sämtlich paarweise verschieden. Sei $P$ die Menge dieser rationalen Repräsentanten. Die Vereinigung

(17)
\begin{align} \bigcup_{r\in P}~I(r) \end{align}

ist dann eine Vereinigung höchstens abzählbar vieler offener, paarweise disjunkter Intervalle und da jede Äquivalenzklasse (jedes Intervall) dort genau einmal auftritt, gilt:

(18)
\begin{align} \bigcup_{r\in P}~I(r)=\bigcup_{x\in G}~I(x)=G. \end{align}

Damit haben wir den Satz bewiesen. $\Box$

Korollar: Eine Menge $G\subset X$ lässt sich genau dann als Vereinigung

(19)
\begin{align} G=\bigcup_{k\in M}~(I_k\cap X) \end{align}

darstellen, wobei $M=\{1,\ldots,n\}$ mit einem $n\in\mathbb N$ oder $M=N$ gelten soll und wobei $I_k,k\in M$ ((somit) höchstens abzählbar viele) offene und paarweise disjunkte Intervalle sind, wenn sie $X$-offen ist.

Beweis: Auch hier ist die Hinrichtung klar. Die Rückrichtung ist mit dem vorigen Satz nun auch leicht: Da $G$ relativ offen bezüglich $X$ ist, existiert eine offene Menge $M\subset \mathbb R$ mit $G=M\cap X$ (s.o.). $M$ lässt sich nach dem vorangegangenen Satz als Vereinigung höchstens abzählbar vieler offener, paarweise disjunkter Intervalle $I_k,k\in M$, mit einem $M$ wie angegeben, darstellen:

(20)
\begin{align} M=\bigcup_{k\in M}~I_k. \end{align}

Dann ist aber

(21)
\begin{align} G=M\cap X=\left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right)\cap X=\bigcup_{k\in M}~(I_k\cap X), \end{align}

womit auch schon alles gezeigt ist. $\Box$

Das Innere einer Menge

Das Innere eine Menge ist, grob gesagt, die größte offene Teilmenge der Menge selbst. Dies werden wir aber nicht als Definition heranziehen, sondern zu einem beweisbaren Satz machen, indem wir folgendes definieren:

Definition: Sei $M\subset \mathbb R$ beliebig. Das Innere $\mathring M$ der Menge $M$ sei die Menge aller inneren Punkte von $M$. Ein Punkt $x\in M$ heißt dabei innerer Punkt von $M$, wenn es ein $\varepsilon>0$ gibt, sodass $U=U_{\varepsilon}(x)\subset M$ gilt.

Zunächst ist klar, dass das Innere einer Menge $M$ die Vereinigung aller Mengen $\{x\}$ ist, wobei $x$ alle inneren Punkte von $M$ durchlaufe. Wir wollen nun folgendes zeigen:

Satz: Das Innere einer Menge $M\subset\mathbb R$ ist eine offene Teilmenge von $M$ und lässt sich außerdem als Vereinigung

(22)
\begin{align} \mathring M=\bigcup_{G\subset M}~G \end{align}

aller offenen Teilmengen $G$ von $M$ darstellen. Sie ist damit die größte offene Teilmenge von $M$ in folgendem Sinne: Jede offene Teilmenge von $M$ ist auch Teilmenge von $\mathring M$.

Beweis: Die Offenheit ist trivial, ebenso die Teilmengeneigenschaft. Nun also zur Gleichheit der beiden Mengen.
Sei zunächst $x\in\bigcup_{G\subset M}~G$. Dann gibt es eine offene Menge $G_0\subset M$ mit $x\in G_0$. Wegen der Offenheit von $G_0$ existiert dann ein $\varepsilon>0$, sodass $U=U_{\varepsilon}(x)\subset G_0$ und damit $U\subset M$ gilt. Das bedeutet aber, dass $x$ ein innerer Punkt von $M$ ist und damit in $\mathring M$ liegt.
Sei nun $x\in\mathring M$, dann gibt es eine $\varepsilon$-Umgebung $U=U(x)$ mit $U\subset M$. Dies ist eine offene Teilmenge von $M$ und damit gilt

(23)
\begin{align} U\subset \bigcup_{G\subset M}~G. \end{align}

Daraus folgt auch

(24)
\begin{align} x\in\bigcup_{G\subset M}~G, \end{align}

und damit insgesamt die Gleichheit beider Mengen.
Die letzte Aussage des Satzes ergibt sich direkt aus dieser Gleichheit. $\Box$

Sätze über abgeschlossene Mengen

Alle Aussagen, die wir über abgeschlossene Mengen im Folgenden formulieren, ließen sich mit dem ersten Satz dieses Artikels ($X$-Abgeschlossenheit einer Menge ist äquivalent zur $X$-Offenheit des relativen Komplements dieser Menge in $X$) direkt ohne Zuhilfenahme der Definition der abgeschlossenen Mengen beweisen und diese Beweise wären wesentlich kürzer. Wir möchten dennoch die Definition der Abgeschlossenheit nutzen, um zu zeigen, wie mit ihr zu arbeiten ist und welche Eigenschaften sie direkt nach sich zieht.

Durchschnitt und Vereinigung

Hilfssatz: (1) Sei eine Familie $(F_j)_{j\in J}$ beliebig vieler $X$-abgeschlossener Teilmengen von $X$ gegeben (wobei also $J$ eine völlig beliebige Indexmenge sei). Dann ist auch der Durchschnitt

(25)
\begin{align} F=\bigcap_{j\in J}~F_j \end{align}

eine $X$-abgeschlossene Menge.
(2) Die Vereinigung

(26)
\begin{align} F:=\bigcup_{i=1}^n~F_i \end{align}

endlich vieler $X$-abgeschlossener Mengen $F_1,\ldots,F_n$ ist wieder $X$-abgeschlossen.

Beweis: (1) O.B.d.A. sei $J$ nichtleer. Sei $(x_n)$ eine konvergente Folge, deren Glieder sämtlich in $F$ liegen mögen, mit Grenzwert $x\in X$. Da $J$ nichtleer ist, gibt es mindestens ein Element in $J$. Sei $j\in J$ beliebig. Für alle $n\in\mathbb N_0$ liegt dann auch $x_n$ in $F_j$. Wegen der $X$-Abgeschlossenheit der Menge $F_j$ liegt dann aber auch der Grenzwert $x$ in ihr. Da $j\in J$ beliebig gewählt war, gilt $x\in F_j$ sogar für alle $j\in J$ und damit auch $x\in F$. Das ist aber gerade die $X$-Abgeschlossenheit von $F$.

(2) Sei $(x_n)$ eine konvergente Folge, deren Glieder alle in $F$ liegen mögen, mit Grenzwert $x\in X$. Lägen in jedem $F_k$ nur endlich viele Folgenglieder, so würde das gleiche auch für $F$ gelten, im Widerspruch zur Definition einer Folge. Es gibt somit eine Menge $F_k$, in der unendlich viele Folgenglieder liegen, in der also eine ganze Teilfolge $(x_{n_i})$ liegt. Diese Teilfolge konvergiert ebenfalls gegen $x$ und da $F_k$ relativ abgeschlossen bezüglich $X$ ist, liegt $x$ somit in $F_k$ und damit auch in $F$. $\Box$

Zusammenhänge zwischen Abgeschlossenheit und relativer Abgeschlossenheit

Satz: Eine Menge $F\subset X$ ist genau dann $X$-abgeschlossen, wenn eine abgeschlossene Menge $A\subset\mathbb R$ existiert, mit $F=A\cap X$.

Beweis: "$\Rightarrow$": Sei die Menge $F$ relativ abgeschlossen bezüglich $X$. Sei

(27)
\begin{align} A:=\{x\in\mathbb R\ |\ \exists (x_n), x_n\in F\ \forall\ n\in\mathbb N\ :\ x=\lim x_n\} \end{align}

die Menge aller Grenzwerte konvergenter Folgen, deren Glieder sämtlich in $F$ liegen. Da die konstante Folge $(x)_{n\in\mathbb N}$ gegen $x$ konvergiert und alle ihre Folgenglieder in $F$ liegen, falls $x\in F$ liegt, muss dann auch $x\in A$ liegen. Es gilt also $F\subset A$. Wir zeigen zunächst, dass $A$ abgeschlossen ist:
Sei $(y_n)$ eine konvergente Folge mit Gliedern in $A$ und dem Grenzwert $y$. Da jedes dieser $y_n$ Grenzwert eine Folge von Elementen aus $F$ ist, gibt es bei festem $n\in\mathbb N$ sicher ein $x=x_n\in F$ mit $|x_n-y_n|<\frac{1}{n}$. Wegen $y=\lim y_n$ folgt dann, da trivialerweise $(x_n-y_n)$ eine Nullfolge ist, dass auch $x_n=(x_n-y_n)+y_n$ konvergiert, und es gilt:

(28)
\begin{align} \lim x_n=\lim (x_n-y_n)+\lim y_n=0+y=y. \end{align}

Damit ist $y$ Grenzwert eine konvergenten Folge, deren Glieder sämtlich in $F$ liegen. Dies bedeutet aber $y\in A$ und damit ist $A$ abgeschlossen.
Wegen $F\subset A,F\subset X$ ist $F\subset (A\cap X)$ trivial. Die andere Inklusion zeigt man so: Sei $x\in A\cap X$ beliebig. Dann ist $x$ der Grenzwert einer konvergenten Folge $(x_n)$, deren Glieder alle in $F$ liegen. Da der Grenzwert dieser Folge in $X$ liegt, muss er wegen der $X$-Abgeschlossenheit von $F$ auch in $F$ liegen und d.h. $(A\cap X)\subset F$. Damit haben wir insgesamt $F=A\cap X$ mit abgeschlossenem $A$.
"$\Leftarrow$": Sei $F=A\cap X$ mit abgeschlossenem $A$. Sei $(x_n)$ eine konvergente Folge, deren Glieder sämtlich in $F$ und deren Grenzwert in $X$ liegen möge. Wegen der Abgeschlossenheit von $A$ liegt dann der Grenzwert auch in $A$ und da er nach Voraussetzung ebenfalls in $X$ liegt, muss er insgesamt in $F=A\cap X$ liegen. Damit ist $F$ also tatsächlich $X$-abgeschlossen. $\Box$

Satz: (1) Ist $F\subset \mathbb R$ abgeschlossen, so auch $X$-abgeschlossen für beliebiges $X\subset \mathbb R$ mit $F\subset X$.
(2) Ist $F\subset X$ relativ abgeschlossen bezüglich $X$ und ist $X$ abgeschlossen, so ist auch $F$ selbst abgeschlossen.

Beweis: (1) Diese Aussage folgt aus dem letzten Satz, denn es gilt $F=F\cap X$.
(2) Sei $(x_n)$ eine konvergente Folge mit Grenzwert $x$, deren Glieder in $F$ liegen mögen. Dann liegen sie auch alle in $X$ und da $X$ abgeschlossen ist, muss damit der Grenzwert $x$ auch in $X$ liegen. Wegen der $X$-Abgeschlossenheit von $F$ folgt daraus aber direkt $x\in F$ und damit ist $F$ tatsächlich abgeschlossen. $\Box$

Charakterisierung abgeschlossener Mengen

Hier gibt es keinen, dem Satz über offene Mengen analogen Satz, der ähnlich einfach wäre. Insofern lassen sich die Sätze nur "komplementieren", indem wir also mithilfe des Satzes über die Äquivalenz der Abgeschlossenheit einer Menge zur Offenheit ihres Komplements die Sätze auf die abgeschlossenen Mengen übertragen. Dementsprechend macht es hier auch keinen Sinn, direkt die Definition der abgeschlossenen Menge zu benutzen. Wir greifen deshalb hier ausnahmsweise auf die Beziehung zu den offenen Mengen zurück.

Satz: Eine Menge $F\subset \mathbb R$ lässt sich (genau dann) als Komplement einer Vereinigug von höchstens abzählbar vielen offenen, paarweise disjunkten Intervallen darstellen, wenn sie abgeschlossen ist.

Beweis: Die Hinrichtung ist klar. Denn wenn dies der Fall ist, ist $F$ abgeschlossen, weil die Vereinigung dieser Intervalle offen sein muss und $F$ somit das Komplement einer offenen Menge ist.
Zur Rückrichtung: Zunächst stellen wir fest, dass $G:=\mathbb R\setminus F$ offen ist. Nach dem Satz über die Charakterisierung offener Mengen (siehe oben) lässt sich $G$ als Vereinigung höchstens abzählbar vieler offener, paarweise disjunkter Intervalle darstellen, d.h. es existieren solche Intervalle $I_k,k\in M$ mit $M=\{1,\ldots,n\}$ für ein $n\in\mathbb N$ oder $M=\mathbb N$ mit

(29)
\begin{align} G=\bigcup_{k\in M}~I_k. \end{align}

Dann ist

(30)
\begin{align} F=\mathbb R\setminus G=\mathbb R\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right) \end{align}

und das war zu zeigen. $\Box$

Korollar: Eine Menge $F\subset X$ lässt sich (genau dann) als relatives Komplement

(31)
\begin{align} F=X\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~(I_k\cap X)\right)=X\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right) \end{align}

einer Vereinigung von höchstens abzählbar vielen offenen, paarweise disjunkten Intervallen $I_k,k\in M$ darstellen (das bedeutet, es ist $M=\{1,\ldots,n\}$ mit einem $n\in\mathbb N$ oder $M=\mathbb N$), wenn sie $X$-abgeschlossen ist.

Beweis: Die Hinrichtung ist wieder klar. Die Vereinigung der Intervalle ist nämlich als Vereinigung von offenen Mengen offen, also somit auch $X$-offen. Und da $F$ das relative Komplement dieser Vereinigung bezüglich $X$ ist, ist $F$ somit $X$-abgeschlossen.
Bei der Rückrichtung bemerken wir nur, dass es eine abgeschlossene Menge $A$ gibt mit $F=A\cap X$. Dann kann man aber $A$ darstellen durch

(32)
\begin{align} A=\mathbb R\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right). \end{align}

Damit folgt:

(33)
\begin{align} F=A\cap X=\left[\mathbb R\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right)\right]\cap X=X\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~I_k\right)=X\setminus \left(\bigcup_{k\in M}~(I_k\cap X)\right) \end{align}

und dies ist die behauptete Gleichung. $\Box$

Der Abschluss einer Menge

Der Abschluss einer Menge ist, in Analogie zum Inneren, die "kleinste abgeschlossene Obermenge" dieser Menge. Auch hier wollen wir aber eine andere Definition geben:

Definition: Für $M\subset \mathbb R$ heißt die Menge aller Grenzwerte konvergenter Folgen, deren Glieder sämtlich in $M$ liegen, der Abschluss $\overline M$ dieser Menge.

Satz: Der Abschluss einer Menge $M\subset\mathbb R$ ist eine abgeschlossene Obermenge von $M$ und lässt sich als Durschnitt

(34)
\begin{align} \overline M=\bigcap_{F\supset M}~F \end{align}

aller abgeschlossenen Obermengen $F$ von $M$ darstellen. $\overline M$ ist somit die kleinste abgeschlossene Obermenge von $M$, und zwar in folgendem Sinne: Jede abgeschlossene Obermenge von $M$ ist auch Obermenge von $\overline M$.

Beweis: Um Triviales zu vermeiden, nehmen wir an, $M$ sei nichtleer. $x\in M$ sei beliebig, aber fest. Dann liegen die Glieder der konvergente Folge $(x_n)$ mit $x_n=x$ für alle $n\in\mathbb N$ ebenfalls in $M$ und damit liegt der Grenzwert $x$ dieser Folge auch in $\overline M$. Das bedeutet $M\subset \overline M$.
Weiter oben haben wir den Beweis für die Abgeschlossenheit schon einmal 'unbewusst' geführt, als wir - ebenfalls unbewusst, d.h. ohne vorherige Definition des Begriffs Abschluss - diesen Begriff bereits benutzt hatten beim Beweis, dass eine relativ abgeschlossene Menge bezüglich $X$ als Schnitt von $X$ mit einer abgeschlossenen Menge darstellbar ist. Wir führen ihn aber noch einmal:
Sei $(y_n)$ eine konvergente Folge mit Grenzwert $y$, deren Elemente sämtlich in $\overline M$ liegen mögen. Zu jedem $n\in\mathbb N$ existiert dann ein $x_n\in M$ mit $x_n\in U_{\frac{1}{n}}(y_n)$ wegen der Definition von $M$. Dann ist $|x_n-y_n|<\frac{1}{n}$ und damit geht die Folge $(x_n-y_n)$ gegen 0. Wegen

(35)
\begin{equation} x_n=(x_n-y_n)+y_n \end{equation}

ist damit auch $(x_n)$ konvergent mit Grenzwert $y$. Dann muss aber, da $(x_n)$ eine Folge mit Gliedern in $M$ ist, $y\in \overline M$ gelten und das bedeutet, dass $\overline M$ tatsächlich abgeschlossen ist.
Nun zur Gleichheit der beiden Mengen. Sei zunächst

(36)
\begin{align} x\in\bigcap_{F\supset M}~F. \end{align}

Dann liegt $x$ in allen abgeschlossenen Obermengen von $M$ und da auch $\overline M$ eine solche ist, wie wir gerade gesehen haben, muss auch $x\in\overline M$ gelten.
Sei nun $x\in\overline M$ und $F$ eine beliebige abgeschlossene Obermenge von $M$. Dann gibt es eine Folge $(x_n)$, deren Glieder alle in $M$ liegen, mit Grenzwert $x$. Zunächst folgt $x_n\in F$ für alle $n\in\mathbb N$ und wegen der Abgeschlossenheit von $F$ muss dann auch $x$ ein Element von $F$ sein. Da $F$ als abgeschlossene Obermenge von $M$ beliebig war, liegt $x$ in allen diesen Mengen und damit insbesondere auch in deren Durschnitt.
Die letzte Aussage des Satzes ist nun evident. $\Box$

Welche Mengen sind offen und abgeschlossen?

Satz: $X\subset\mathbb R, X\neq\varnothing$ ist genau dann zusammenhängend oder eine einpunktige Menge, wenn $\varnothing$ und $X$ selbst die einzigen Teilmengen von $X$ sind, die sowohl $X$-offen als auch $X$-abgeschlossen.

Beweis: "$\Rightarrow$": Die Hinrichtung ist mit den starken Hilfsmitteln mittlerweile recht einfach.
Zunächst zeigen wir, dass $\varnothing$ und $X$ tatsächlich sowohl $X$-offen als auch $X$-abgeschlossen sind:
1. Sei $G=X\subset X$. Zu $x\in G=X$ wähle man eine beliebige Umgebung $U$, z.B. $U=U_1(x)$. Dann ist trivialerweise $(U(x)\cap X)\subset X=G$, also $X$ relativ offen bezüglich sich selbst.
Sei nun $(x_n)$ eine Folge, deren Glieder alle in $G=X$ liegen mögen und deren Grenzwert Element von $X$ sei. Dann liegt der Grenzwert natürlich auch in $G$, denn es ist ja $G=X$.
2. $G=\varnothing$. Wäre die leere Menge nicht $X$-offen, so gäbe es ein $x\in \varnothing$, sodass für alle Umgebungen $U(x)$ ein $y\in (U(x)\cap X)$ existieren würde mit $y\notin \varnothing$. Ein solches $x$ kann es aber einfach deshalb nicht geben, weil die leere Menge keine Elemente enthält.
Wäre die leere Menge nicht $X$-abgeschlossen, so gäbe es eine konvergente Folge, deren Glieder alle in $\varnothing$ lägen und deren Grenzwert Element von $X$, aber nicht Element von $\varnothing$ wäre. Eine solche Folge kann es aber auch hier einfach deshalb nicht geben, weil $\varnothing$ keine Elemente enthält.

Wir zeigen nun noch, dass jede nichtleere echte Teilmenge $G\subsetneq X$ von $X$ nicht gleichzeitig $X$-offen und $X$-abgeschlossen sein kann.
Ist $X$ eine einpunktige Menge $X=\{a\}$ mit $a\in\mathbb R$, so ist nichts zu beweisen, denn dann sind $\varnothing, X$ die einzigen Teilmengen von $X$.
Sei nun $X$ zusammenhängend, $\varnothing\neq G\subsetneq X$ und $G$ relativ offen bezüglich $X$. Dann gibt es höchstens abzählbar viele offene, paarweise disjunkte Intervalle $I'_k,k\in M\subset \mathbb N$ mit

(37)
\begin{align} G=\bigcup _{k\in M}~(I'_k\cap X), \end{align}

wobei $I'_k\cap X$ o.B.d.A. für alle $k\in M$ nichtleer sei. Da $X$ ein Intervall ist, muss dann auch $I_k:=I'_k\cap X$ ein Intervall oder eine einpunktige Menge sein (siehe hier), wobei $I_k$ als Schnitt einer offenen Menge (nämlich $I'_k$) mit $X$ zumindest $X$-offen sein muss. Angenommen, eine dieser Mengen wäre tatsächlich eine einpunktige Menge, es existiere also ein $m\in M$ und ein $\xi\in G\subset X$ mit $I_m=\{\xi\}$. Dann gibt es wegen der $X$-Offenheit von $I_m$ ein $\varepsilon>0$, sodass $(U_{\varepsilon}(\xi)\cap X)\subset G$ gilt. Dann gäbe es aber ein $n\neq m$, sodass $I_m\subset (U_{\varepsilon}(\xi)\cap X)\subset I_n$ gilt, da $U_{\varepsilon}(\xi)\cap X$ ein Intervall ist, weil mindestens ein $\eta\in X$ existiert mit $\eta\neq \xi$ und wegen des Zusammenhangs von $X$ dann auch alle Punkte zwischen $\eta$ und $\xi$ in $X$ liegen müssen. Das steht aber im Widerspruch zur Disjunktheit von $I_n$ und $I_m$. Also sind alle $I_k$ keine einpunktigen Mengen und damit Intervalle.
Damit ist

(38)
\begin{align} G=\bigcup_{k\in M}~I_k \end{align}

mit höchstens abzählbar vielen $X$-offenen, paarweise disjunkten Intervallen $I_k\subset X$.
Sei $k_0\in M$ beliebig, aber fest, und $I:=I_{k_0}$ mit den Randpunkten $a<b$. Dann gilt $I\subset G\subsetneq X$, d.h. dass ein Element $x_0\in X$ existiert mit $x_0\notin I$.
Ist $x_0<a$, so muss dann wegen des Zusammenhangs von $X$ gelten:

(39)
\begin{align} [x_0,b]\subset X. \end{align}

Dann kann $I$ aber nicht $X$-offen sein, denn jede $\varepsilon$-Umgebung um $a$ enthält Punkte in $X$, die nicht zu $I$ gehören, (z.B. $\max\left\{x_0,a-\frac{\varepsilon}{2}\right\}$). Somit erhielten wir einen Widerspruch.
Ist aber $x_0>b$, so muss auch dann

(40)
\begin{align} [a,x_0]\subset X \end{align}

gelten. Auch hier kann $I$ dann nicht $X$-offen sein, aus demselben Grund wie eben schon.

Damit kann also $I$ kein abgeschlossenes Intervall sein, d.h. es gilt entweder $I=(a,b], I=[a,b)$ oder $I=(a,b)$. Im Falle $I=(a,b]$ muss $a\in X$ liegen, denn wäre dies nicht der Fall, so würde $x\notin X$ gelten für alle $x\leq a$ und damit müsste es ein $x_0\in X, x_0>b$ geben. Dann sieht man aber mit der eben geführten Argumentation, dass $I$ nicht $X$-offen wäre, Widerspruch! Also muss doch $a\in X$ gelten.
Im Fall $I=[a,b)$ schließt man entsprechend auf $b\in X$. Ist $I=(a,b)$, so können auch nicht beide Endpunkte nicht in $X$ liegen, sonst wäre, weil $X$ zusammenhängend ist, $X=(a,b)=I$ und damit erhielten wir einen Widerspruch zu $I\subsetneq X$. In allen drei Fällen ist also $a\in X$ oder $b\in X$.

1. Fall: $a\in X$.
Wir definieren die Folge $(x_n)$ mit

(41)
\begin{align} x_n=a+\frac{1}{n}. \end{align}

Der Grenzwert dieser Folge ist klarerweise $a$. Für diese gibt es dann natürlich ein $n_0\in\mathbb N$, sodass für alle $n>n_0$ gilt:

(42)
\begin{align} x_n\in (a,b)\subset I. \end{align}

Dann liegt die Folge $(y_n)$ mit

(43)
\begin{equation} y_n=x_{n+n_0$} \end{equation}

für $n\in\mathbb N$ komplett in $I$ und damit auch in $G$, besitzt den Grenzwert $a\in X$, der jedoch nicht in $G$ liegt. Denn wäre $a\in G$, so gäbe es ein Intervall $I_{k_1}\neq I$ mit $a\in I_{k_1}$. Dann gäbe es wegen der $X$-Offenheit dieses Intervalls eine Umgebung $U(a)=U_{\varepsilon}(a)$ mit $(U(a)\cap X)\subset I_{k_1}$. Für diese müsste dann aber $(U(a)\cap X)\cap I$ nichtleer sein, da z.B. $\min\left\{a+\frac{\varepsilon}{2},\frac{a+b}{2}\right\}$ in $I$ und in $U(a)\cap X$ liegt. Damit wäre aber auch $I_{k_1}\cap I\neq \varnothing$, im Widerspruch zur Disjunktheit der Intervalle $I_{k_1}$ und $I=I_{k_0}$! Also ist tatsächlich $a\notin G$.
Wir haben somit eine konvergente Folge $(y_n)$ gefunden, deren Glieder alle in $G$ liegen, deren Grenzwert aber in $X$ und nicht in $G$ liegt. Damit ist aber $G$ nicht $X$-abgeschlossen.

2. Fall: $b\in X$.
Hier definieren wir die Folge $(x_n)$ mit

(44)
\begin{align} x_n=b-\frac{1}{n}. \end{align}

Der Grenzwert dieser Folge ist klarerweise $b$. Auch hier gibt es ein $n_0\in\mathbb N$, sodass für alle $n>n_0$ gilt:

(45)
\begin{align} x_n\in (a,b)\subset I. \end{align}

Auf die Folge

(46)
\begin{equation} y_n=x_{n+n_0$} \end{equation}

kann man nun die gleiche Argumentation wie im ersten Fall anwenden und sieht, dass sie eine konvergente Folge mit Gliedern aus $G$ und Grenzwert in $X$ ist, wobei letzterer aber nicht in $G$ liegt. Auch hier ist also $G$ nicht $X$-abgeschlossen.

Fassen wir zusammen, was wir gezeigt haben: Jedes $X$-offene, nichtleere $G\subsetneq X$ ist nicht $X$-abgeschlossen. Wenn also $G\subset X$ sowohl $X$-offen als auch $X$-abgeschlossen sein soll, dann muss $G=X$ oder $G=\varnothing$ gelten. Dass diese beiden tatsächlich auch $X$-offen und $X$-abgeschlossen sind, hatten wir oben bereits gesehen.
Damit ist die Hinrichtung vollständig bewiesen.

"$\Leftarrow$": Nun zur Rückrichtung, die wir durch Kontraposition beweisen wollen. Dafür gehen wir davon aus, dass $X$ keine einpunktige Menge und kein Intervall ist, und wollen dann zeigen, dass es eine echte, nichtleere Teilmenge von $X$ gibt, die sowohl $X$-offen als auch $X$-abgeschlossen ist.
Zunächst gibt es mindestens zwei Elemente in $X$ (weil $X$ ja keine einpunktige Menge sein sollte, aber nach Voraussetzung nichtleer ist) und da $X$ nicht zusammenhängend ist, gibt es $a,b\in X,a<b$ und dazu ein $c\in (a,b)$ mit $c\notin X$. Im Folgenden werden wir zeigen, dass die Menge

(47)
\begin{align} Y:=\{x\in X\ |\ x<c\} \end{align}

die gewünschte Eigenschaft erfüllt, dass sie also sowohl $X$-offen als auch $X$-abgeschlossen als auch eine nichtleere, echte Teilmenge von $X$ ist.
Letzteres sieht man so: Wegen $a<c$ und $a\in X$ ist $a\in Y$, also $Y$ nichtleer. Da aber $b\in X, b>c$ gilt, ist $b\notin Y$ und damit $Y\subsetneq X$.
Sei nun $y\in Y$ beliebig, aber fest, und sei $\varepsilon:=c-y>0$. Für $x\in (U_{\varepsilon}(y)\cap X)$ gilt einerseits $x\in X$ und andererseits $x<y+\varepsilon=c$, dies bedeutet zusammen aber $x\in Y$ und somit haben wir $(U_{\varepsilon}(y)\cap X)\subset Y$. $Y$ ist also tatsächlich $X$-offen.
Nun sei eine beliebige konvergente Folge $(x_n)$ gegeben, deren Glieder sämtlich in $Y$ liegen mögen und deren Grenzwert $x:=\lim x_n$ in $X$ liegen möge. Dann gilt $x_n\in X, x_n<c$ für alle $n\in\mathbb N$. Daraus folgt $x=\lim x_n\leq c$ und da $x\in X$ vorausgesetzt ist, $c$ jedoch nicht in $X$ liegt, muss dann sogar $x<c$ gelten, woraus aber direkt $x\in Y$ folgt, was die $X$-Abgeschlossenheit von $Y$ zeigt.
Damit haben wir auch die Rückrichtung gezeigt und sind mit dem Beweis des Satzes nun endlich fertig. $\Box$

Insbesondere sehen wir mithilfe dieses Satzes folgendes ein:

Korollar: In $\mathbb R$ gibt es keine Teilmengen, die abgeschlossen und offen sind, außer $\mathbb R$ selbst und der leeren Menge.

Kompakte Schachtelung

Satz: Sei $(A_n)_{n\in\mathbb N_0}$ eine Folge von nichtleeren, kompakten (d.h. abgeschlossenen und beschränkten) Teilmengen von $\mathbb R$ mit der Eigenschaft

(48)
\begin{align} A_0\supset A_1\supset A_2\supset \ldots \end{align}

Dann ist der Durchschnitt

(49)
\begin{align} A:=\bigcap_{i=0}^{\infty}~A_i \end{align}

aller dieser Mengen ebenso nichtleer und kompakt.

Beweis: Da alle $A_n$ nichtleer sind, können wir aus jeder dieser Mengen ein Element $a_n$ auswählen. Alle Glieder der Folge $(a_n)$ liegen dann in $A_0$ und damit ist die Folge beschränkt. Nach dem Satz von Bolzano-Weierstraß besitzt sie somit eine konvergente Teilfolge $\left(a_{n_k}\right)_{k\in\mathbb N_0}$. Sei

(50)
\begin{align} a:=\lim_{k\to\infty}a_{n_k}. \end{align}

Sei nun $m\in\mathbb N_0$ beliebig. Dann gibt es ein $k_0$, sodass für alle $k\geq k_0$ gilt: $a_{n_k}\in A_m$. Damit liegt die konvergente Folge $\left(a_{n_k}\right)_{k\geq k_0}$ komplett in $A_m$ und wegen der Abgeschlossenheit dieser Menge liegt somit auch der Grenzwert ebendieser Teilfolge in ihr. Da $m$ beliebig war, folgt $a\in A_m$ für alle $m\in\mathbb N_0$. Damit liegt aber $a$ auch im Schnitt aller dieser Mengen, womit also $A$ jedenfalls nichtleer ist. Die Beschränktheit folgt einfach aus der Inklusion $A\subset A_0$ und die Abgeschlossenheit daraus, dass der Durchschnitt beliebig vieler abgeschlossener Mengen wiederum abgeschlossen ist. Damit ist $A$ kompakt. $\Box$

Beispiele nicht kompakter Schachtelungen mit leerem oder offenem Durchschnitt

Es sei $(A_n)_{n\in\mathbb N_0})$ eine Folge von Teilmengen von $\mathbb R$. Wir wollen einige spezielle Beispiele bringen, für die der Schnitt bestimmte Eigenschaften hat.

1. Schnitt, der offen und abgeschlossen ist.

(a) leerer Schnitt

Bsp. 1: Sei $A_0:=\mathbb N$ und $A_n:=\mathbb N\setminus \{1,\ldots,n\}$ für $n\geq 1$. Der Schnitt der $A_n$ ist natürlich leer. Denn für jedes $n\in A_0$ gilt $n\in\mathbb N$ und damit $n\notin A_n$.

Bsp. 2: Für $n\in\mathbb N$ sei $A_n:=\left(0,\frac{1}{n}\right)$ und es sei $A_0:=(0,2)$. Für $a\in A_0$ sei $n_a\in\mathbb N$ so groß gewählt, dass $\frac{1}{n_a}\leq a$ gilt, z.B. $n_a=\lceil\frac{1}{a}\rceil$. Dann gilt

(51)
\begin{align} \frac{1}{a}\leq n_a \Leftrightarrow \frac{1}{n_a}\leq a \end{align}

und damit kann $a$ nicht in $\left(0,\frac{1}{n_a}\right)$ liegen.

(b) $\mathbb R$ als Schnitt

Das geht natürlich nur, falls $A_n=\mathbb R$ für alle $n\in\mathbb N_0$ gilt.

2. abgeschlossene, nicht offene Schnitte

Dass es solche Schnitte gibt, folgt einfach aus dem Satz über die kompakte Schachtelung. Man muss nur $(A_n)$ so wählen, dass der Schnitt eine nichtleere, echte Teilmenge von $\mathbb R$ ist.
Bsp.: $A_0:=[0,2]$ und $A_n:=\left[0,1+\frac{1}{n}\right]$. Der Schnitt ist $A=[0,1]$.

3. offene, nicht abgeschlossene Schnitte

Bsp.: Sei $A_0=(-1,0)\cup (0,2)$ und $A_n=(-1,0)\cup \left(0,\frac{1}{n}\right)$ für $n\in\mathbb N$. Dann ist der Schnitt $=(-1,0)$.

4. nicht offene, nicht abgeschlossene Schnitte

Bsp.: Sei $A_0=(0,3)$ und $A_n=\left(0,1+\frac{1}{n}\right)$ für $n\in\mathbb N$. Dann ist der Schnitt gegeben durch $A=(0,1]$.

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