Cantor-Menge

Die Cantor-Menge ist eine selbstähnliche Menge, also ein Fraktal, die ein wichtiges Beispiel für eine überabzählbare Nullmenge darstellt. Sie wird auch Cantorsches Diskontinuum genannt.

Konstruktion

Die Cantor-Menge lässt sich durch folgende Rekursion konstruieren: Man nehme sich das Intervall $C_0:=[0,1]$ und entferne daraus das mittlere, offene Drittel $\left(\frac{1}{3},\frac{2}{3}\right)$. Die dadurch entstehende Menge sei $C_1$. Es ist also

(1)
\begin{align} C_1=\left[0,\frac{1}{3}\right]\cup \left[\frac{2}{3},1\right]. \end{align}

Entfernt man aus jedem Teilintervall von $C_1$ wiederum das mittlere, offene Drittel, so gelangt man zur Menge

(2)
\begin{align} C_2=\left[0,\frac{1}{9}\right]\cup \left[\frac{2}{9},\frac{3}{9}\right]\cup \left[\frac{6}{9},\frac{7}{9}\right] \cup\left[\frac{8}{9},1\right]. \end{align}

Auf jedes Teilintervall von $C_2$ wende man nun die gleiche Prozedur an usw. So erhält man eine Folge $(C_n)$ von Teilmengen von $[0,1]$. In folgendem Bild sind die ersten fünf Iterationsschritte veranschaulicht, wobei der oberste Streifen das Intervall $[0,1]$ darstelle:

Cantor.png

Offenbar gilt:

(3)
\begin{align} C_0\supset C_1\supset C_2\supset \ldots \end{align}

Man könnte intuitiv vermuten, dass diese Folge von Mengen nun einen "Grenzwert" besitzt. In einem entsprechenden Kontext (d.h. in einem bestimmten metrischen Raum mit einer Metrik für Mengen), den wir hier nicht aufgreifen wollen, stimmt dies sogar. Wir definieren die Cantor-Menge aber als Durchschnitt all dieser Mengen (welcher jedoch mit dem "Grenzwert" bzgl. der erwähnten Metrik übereinstimmt), d.h.:

(4)
\begin{align} C:=\bigcap_{i=0}^{\infty}~C_i. \end{align}

Wir untersuchen diese Menge und (als Hilfsmittel) auch die sie definierende Folge von Mengen nun genauer auf ihre Eigenschaften, von denen man einige schon den ersten drei Folgengliedern ansieht bzw. wegen der Rekursionsvorschrift vermuten kann.

Viele Eigenschaften offener und abgeschlossener Mengen werden wir ohne explizite Erwähnung benutzen. Man beachte an solchen Stellen, an denen dies einem auffällt, den Artikel über offene und abgeschlossene Mengen und lese dort die entsprechenden Aussagen (wenn man möchte, auch ihre Beweise) nach. Insbesondere weisen wir darauf hin, dass wir den Begriff der relativen Abgeschlossenheit benutzen (z.B. beim Beweis der Abgeschlossenheit der Folgeglieder: "womit $G$ auch $C_{n-1}$-offen ist. […] ist damit aber $C_{n-1}$-abgeschlossen."). Wer diesen nicht kennt, sollte ihn nachlesen oder die entsprechenden Beweise ignorieren.

Eigenschaften der Folgenglieder

Aufgrund der rekursiven Beschreibung der Folge können sämtliche Aussagen über ihre Glieder induktiv beweisen werden.

Intervallanzahl und -länge

Sehen wir uns die ersten Folgenglieder genauer an: Das erste Folgenglied ist ein Intervall der Länge eins, das zweite besteht aus zwei Teilintervallen, die jeweils die Länge ein Drittel besitzen, und das dritte besteht aus vier Teilintervallen mit jeweiliger Länge von einem Neuntel. Dies lässt folgendes vermuten:

Hilfssatz: Die Menge $C_n$ besteht aus $2^n$ paarweise disjunkten Intervallen, die jeweils die Länge $\frac{1}{3^n}$ haben.

Beweis: Für $n=0$ haben wir die Aussage eben schon als wahr erkannt. Sei also die Aussage wahr für $n-1$, wobei $n\in\mathbb N$ beliebig sei. Dann besteht $C_{n-1}$ aus $2^{n-1}$ Intervallen $I_k=[a_k,b_k]$ für $k=1,\ldots,2^{n-1}$, die wir o.B.d.A. als nach der Größe angeordnet gegeben annehmen dürfen, d.h. es gilt:

(5)
\begin{align} &1\leq k_1<k_2\leq 2^{n-1}\Leftrightarrow b_{k_1}<a_{k_2}\cr &C_{n-1}=\bigcup_{k=1}^{2^{n-1}}~I_k. \end{align}

Dass dort ein echtes Kleiner-Zeichen stehen darf und nicht nur ein Kleinergleich-Zeichen, ist dadurch gerechtfertigt, dass wegen der Induktionsannahme je zwei beliebige Intervalle disjunkt sind.
$C_n$ entsteht nun aus $C_{n-1}$, indem wir bei jedem Teilintervall das mittlere offene Drittel entfernen, d.h. es gilt:

(6)
\begin{align} C_n=\bigcup_{k=1}^{2^{n-1}}~\left(\left[a_k,a_k+\frac{b_k-a_k}{3}\right]\cup\left[b_k-\frac{b_k-a_k}{3},b_k\right]\right). \end{align}

Zunächst stellen wir fest, dass sich die Anzahl der Intervalle verdoppelt, da jedes Teilintervall $I_k$ von $C_{n-1}$ in zwei verschiedene Intervalle $I_{k1}:=\left[a_k,a_k+\frac{b_k-a_k}{3}\right]$ und $I_{k2}:=\left[b_k-\frac{b_k-a_k}{3},b_k\right]$ zerfällt.
Seien $J_1,J_2\in\{I_{k1},I_{k2}\ |\ k=1,\ldots 2^{n-1}\}$ zwei der entstanden Intervalle mit $J_1\neq J_2$. Dann liegt $J_1$ in einem Intervall $I_{k_1}\subset C_{n-1}$ und $J_2$ in einem Intervall $I_{k_2}\subset C_{n-1}$. Ist $k_1=k_2=:k$, dann ist $J_1=I_{k1}, J_2=I_{k2}$ oder umgekehrt. Diese beiden Intervalle sind aber wegen der Konstruktionsvorschrift trivialerweise disjunkt. Ist aber $k_1\neq k_2$, so sind gilt wegen $J_1\subset I_{k_1}, J_2\subset I_{k_2}$ und der Disjunktheit von $I_{k_1}$ und $I_{k_2}$ (Induktionsvoraussetzung!) auch, dass $J_1$ und $J_2$ disjunkt sind.
Zuletzt ist noch die Aussage über die Intervalllänge zu zeigen. Diese ist aber ebenso trivial, denn jedes der Teilintervalle von $C_{n-1}$ wird gedrittelt und danach werden die äußersten beiden, abgeschlossenen Intervalle als neue Intervalle ausgewählt. Deren Länge ist dann trivialerweise ein Drittel der Länge des Intervalls, aus dem sie entstanden sind. Wegen der Induktionsvoraussetzung ist also für jedes Intervall $J\in C_n$ die Intervalllänge gegeben durch

(7)
\begin{align} |J|=\frac{\frac{1}{3^{n-1}}}{3}=\frac{1}{3^n}. \end{align}

Damit ist alles gezeigt. $\Box$

Abgeschlossenheit der Folgenglieder

Folgende Aussage lässt sich aus dem eben Bewiesenen direkt folgern. Denn da $C_n$ die disjunkte Vereinigung endlich vieler abgeschlossener Intervalle ist, muss auch $C_n$ selbst abgeschlossen sein. Die Beschränktheit der Menge $C_n$ ist offensichtlich, da sie eine Teilmenge von $C_0=[0,1]$ ist. Somit gilt:

Korollar: Für jedes $n\in\mathbb N_0$ ist $C_n$ kompakt, d.h. abgeschlossen und beschränkt.

Diese Aussage kann man induktiv auch folgendermaßen beweisen: Der Induktionsanfang ist wieder klar. Sei für $n\in\mathbb N$ die Menge $C_{n-1}$ abgeschlossen. $C_n$ entsteht aus ihr, indem man $2^{n-1}$ offene Intervalle entfernt. Die Vereinigung $G$ dieser offenen Intervalle ist dann wiederum offen, womit $G$ auch $C_{n-1}$-offen ist. Das (relative) Komplement $C_n=C_{n-1}\setminus G$ von $G$ in $C_{n-1}$ ist damit aber $C_{n-1}$-abgeschlossen und da $C_{n-1}$ nach Induktionsvoraussetzung abgeschlossen (in $\mathbb R$) ist, muss somit auch $C_n$ abgeschlossen sein. $\Box$

Eigenschaften der Cantor-Menge

Aus den Eigenschaften der Folgenglieder der Iteration können wir nun Eigenschaften über die Cantor-Menge folgern.

Abgeschlossenheit der Cantor-Menge

Satz: $C$ ist nichtleer und abgeschlossen.

Beweis: Jedes $C_n$ ist offenkundigerweise nichtleer (es liegen z.B. Null und Eins in allen diesen Mengen). Außerdem ist jedes $C_n$ abgeschlossen. Wegen

(8)
\begin{align} C=\bigcap_{i=0}^{\infty}~C_i \end{align}

erkennt man mithilfe dieses Satzes, dass damit auch $C$ nichtleer und abgeschlossen ist.
Alternativ kann man, angelehnt an den zweiten Beweis der Abgeschlossenheit aller $C_n$ auch folgendermaßen argumentieren: $C$ entsteht aus $C_0=[0,1]$, indem man aus diesem Intervall höchstens abzählbar viele, offene Intervalle entfernt (denn bei der $n$-ten Iteration wird von jedem Teilintervall das mittlere, offene Drittel erntfernt). Die Vereinigung $G$ all dieser Intervalle ist wieder offen und damit auch $[0,1]$-offen. Wegen $C=[0,1]\setminus G$ ist die Cantor-Menge damit $[0,1]$-abgeschlossen und wegen der Abgeschlossenheit von $[0,1]$ auch selbst abgeschlossen. $\Box$

Das Innere und die Nullmengeneigenschaft der Cantor-Menge

Das Innere eine Menge $X\subset\mathbb R$ ist definiert als die Menge aller Punkte $x\in X$, für die eine (offene) Umgebung um $x$ existiert, die Teilmenge von $X$ ist (siehe dem Artikel über offene Mengen). Wir zeigen nun:

Satz: Das Innere der Cantor-Menge ist leer.

Beweis: Seien $c\in C$ und $\varepsilon>0$ beliebig vorgegeben. Wir wählen $n\in\mathbb N$ so, dass $\frac{1}{2\cdot 3^n}<\varepsilon$ bleibt. $c$ liegt in $C_n$ und dort dann in einem Teilintervall der Länge $\frac{1}{3^n}$. Zu einem der beiden Endpunkte des Intervalls ist der Abstand von $c$ kleinergleich $\frac{1}{2\cdot 3^n}$. Dann kann aber $U_{\varepsilon}(c)$ nicht komplett in diesem Teilintervall und damit auch nicht komplett in $C_n$ liegen, was wiederum bedeutet, dass ganz sicher nicht $U_{\varepsilon}(c)\subset C$ gilt. $\Box$

Wir können sogar eine noch stärkere Aussage beweisen. Zum nun folgenden Begriff und seinen Eigenschaften siehe hier.

Satz: Die Cantor-Menge ist eine Nullmenge.

Beweis: Sei $\varepsilon>0$ beliebig vorgegeben. Dann gibt es ein $n\in\mathbb N$ mit $\frac{2^n}{3^n}<\varepsilon$. $C_n$ besteht aus $2^n$ Intervallen der Länge $\frac{1}{3^n}$, die wegen $C\subset C_n$ die Cantor-Menge überdecken. Ihre Längensumme ist $\frac{2^n}{3^n}$, was nach der Wahl von $n$ kleiner als $\varepsilon$ ist. Damit ist aber schon alles gezeigt. $\Box$

Charakterisierung der Cantor-Menge durch triadische Brüche

Wir möchten im Folgenden zeigen, dass die Elemente der Cantor-Menge eine besondere Darstellung durch einen triadischen Bruch besitzen. Dies ist eine Reihe der Form

(9)
\begin{align} \sum_{k=0}^{\infty}~\frac{a_k}{3^k} \end{align}

mit $a_0\in\mathbb N_0, a_k\in\{0,1,2\}$ für alle $k\in\mathbb N$. Jede nichtnegative reelle Zahl kann in solch einer Form dargestellt werden, wie dieser Satz zeigt.

Beschreibung der Folgenglieder mithilfe triadischer Brüche

Sieht man sich den Beweis für die Existenzaussage des Satzes über die Darstellung durch $p$-adische Brüche für den Fall $p=3$ einmal genauer an, so erkennt man, dass in der triadischen Darstellung eine Eins vorkommt, wenn $a$ irgendwann während der Intervallschachtelung einmal im mittleren Drittel des vorigen Intervalls liegt. Nun wird dieses mittlere Drittel bei der Konstruktion der Cantor-Menge aber gerade bei jeder Iteration entfernt. Gibt es also einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Einsen in einer triadischen Darstellung einer Zahl und der Frage, ob sie in der Cantor-Menge liegt? Dies können wir bejahen, zunächst zeigen wir aber die entsprechende Aussage für das $n$-te Folgenglied:

Hilfssatz: Für alle $n\in\mathbb N_0$ gilt:

(10)
\begin{align} C_n=\left\{x\in [0,1]\ \left|\ \exists (c_k)_{k\in\mathbb N}\ :\ x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\ \wedge\ c_1,\ldots,c_n\neq 1\right.\right\}. \end{align}

Beweis: Der Beweis gelingt natürlich wiederum durch Induktion. Für $n=0$ ist die Aussage klar. Angenommen, es gelte die Behauptung für $n-1, n\in\mathbb N$.

(1) "$\subset$": Sei $x\in C_n$. Wir müssen zeigen, dass $x$ eine wie oben angegebene Darstellung besitzt. Zunächst stellen wir fest, dass wegen $C_n\subset C_{n-1}$ auch $x\in C_{n-1}$ liegt. Es gibt somit eine Folge $(c_k)_{k\in\mathbb N}$ mit $c_1,\ldots,c_{n-1}\neq 1$, sodass gilt:

(11)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}. \end{align}

Nun wissen wir, dass $C_{n-1}$ aus $2^{n-1}$ disjunkten Intervallen der Länge $\frac{1}{3^{n-1}}$ besteht. Es gibt somit ein Intervall $[a,b]\subset C_{n-1}$ mit $x\in [a,b]$ und $b-a=\frac{1}{3^{n-1}}$. Sehen wir uns die Abschätzung

(12)
\begin{align} \sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\leq x\leq \sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k} \end{align}

in Verbindung mit

(13)
\begin{align} &\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\in C_{n-1}\cr &\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\in C_{n-1}\cr &\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\right)-\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}=\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}=\frac{2}{3^n}\cdot\frac{1}{1-\frac{1}{3}}=\frac{1}{3^{n-1}}\cr \end{align}

an, so erkennen wir daraus:

(14)
\begin{align} &a=\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\cr &b=\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}. \end{align}

Beim Übergang von $C_{n-1}$ zu $C_n$ wird jedes Teilntervall gedrittelt und das mittlere, offene Drittel entfernt. Wegen $x\in [a,b]$ gilt also entweder

(15)
\begin{align} x\in\left[a,a+\frac{b-a}{3}\right] \end{align}

oder

(16)
\begin{align} x\in\left[a+\frac{2(b-a)}{3},b\right]. \end{align}

1. Fall: $x\in\left[a,a+\frac{b-a}{3}\right]$.
Dies bedeutet

(17)
\begin{align} \sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\leq x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\leq \left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3}\cdot\frac{1}{3^{n-1}}. \end{align}

Daraus folgt:

(18)
\begin{align} \sum_{k=n}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\leq \frac{1}{3^n} \end{align}

Wäre nun $c_n=1$, so erhielte man hieraus

(19)
\begin{align} \sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\leq 0 \end{align}

und wegen $c_k\geq 0$ für alle $k\in\mathbb N$ muss damit notwendigerweise $c_k=0$ sein für $k\geq n+1$. Dann gibt es aber für $x$ auch noch eine andere Darstellung:

(20)
\begin{align} &x=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^n}=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot\frac{1}{1-\frac{1}{3}}\cr &=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot\sum_{k=0}^{\infty}~\frac{2}{3^k}=\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\cr \end{align}

und damit ist $x$ tatsächlich in gewünschter Weise darstellbar.

2. Fall: $x\in\left[a+\frac{2(b-a)}{3},b\right]$.
Hier bekommen wir folgende Ungleichung:

(21)
\begin{align} \left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^n}\leq x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\leq \sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}. \end{align}

Daraus folgt

(22)
\begin{align} \frac{2}{3^n}\leq \sum_{k=n}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}. \end{align}

Nun ist

(23)
\begin{align} \frac{2}{3^n}=\frac{1}{3^n}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{3}}=\frac{1}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}. \end{align}

Wir haben somit

(24)
\begin{align} \frac{1}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\leq \sum_{k=n}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}. \end{align}

Wäre $c_n=1$, so hätten wir

(25)
\begin{align} \sum_{k=n}^{\infty}~\frac{c_k-2}{3^k}\geq 0. \end{align}

Wegen $c_k\leq 2$ ist stets $c_k-2\leq 0$, also muss $c_k-2=0$, d.h. $c_k=2$ sein für alle $k\geq n+1$. Für $x$ finden wir dann aber auch hier noch eine andere Darstellung:

(26)
\begin{align} &x=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^n}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot\frac{1}{1-\frac{1}{3}}\cr &=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^n}+\frac{1}{3^n}=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^n}. \end{align}

Auch in diesem Fall ist $x$ also wie gefordert darstellbar.

(2) "$\supset$": Sei nun $x$ in angegebener Form darstellbar und eine solche Darstellung gegeben. Es gebe also eine Folge $(c_k)_{k\in\mathbb N}$ mit $c_1,\ldots,c_n\neq 1$ und

(27)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}. \end{align}

Angenommen, es wäre $x\notin C_n$. Wir leiten nun einen Widerspruch her.
Nach Induktionsvoraussetzung liegt $x$ in $C_{n-1}$ und dort somit in einem Intervall $[a,b]$. Ganz entsprechend wie in Teil (1) des Beweises erkennt man

(28)
\begin{align} &a=\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\cr &b=\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{2}{3^k}. \end{align}

$x$ liegt dann in einem der drei Intervalle

(29)
\begin{align} \left[a,a+\frac{b-a}{3}\right],\quad \left(a+\frac{b-a}{3},a+\frac{2(b-a)}{3}\right),\quad \left[a+\frac{2(b-a)}{3},b\right]. \end{align}

und wegen der Annahme muss $x$ im mittleren, offenen dieser drei Intervalle liegen. Dann erhielten wir die echte Ungleichung

(30)
\begin{align} a+\frac{b-a}{3}=\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^n}<x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}<\left(\sum_{k=1}^{n-1}~\frac{c_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^n}=a+\frac{2(b-a)}{3} \end{align}

und damit

(31)
\begin{align} \frac{1}{3^n}<\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}<\frac{2}{3^n}. \end{align}

Aus der ersten der beiden Ungleichungen folgt:

(32)
\begin{align} \frac{1}{3^n}<\frac{c_n}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}=\frac{c_n}{3^n}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{3}}=\frac{c_n}{3^n}+\frac{1}{3^n}, \end{align}

also

(33)
\begin{align} 0<\frac{c_n}{3^n} \end{align}

und damit

(34)
\begin{equation} 0<c_n. \end{equation}

Aus der zweiten Ungleichung von oben erhalten wir analog

(35)
\begin{align} \frac{c_n}{3^n}\leq \frac{c_n}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}<\frac{2}{3^n} \end{align}

und damit

(36)
\begin{align} \frac{c_n}{3^n}<\frac{2}{3^n}, \end{align}

also hier

(37)
\begin{equation} c_n<2. \end{equation}

Somit haben wir $0<c_n<2$ und damit $c_n=1$, was doch aber ein Widerspruch zu unserer Voraussetzung

(38)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

mit $c_1,\ldots,c_n\neq 1$ ist! Somit muss $x$ also doch in $C_n$ liegen und wir haben auch die zweite Inklusion gezeigt. $\Box$

Beschreibung der Cantor-Menge mithilfe triadischer Brüche

Durch dieses Zwischenergebnis ist es nun ein leichtes, den folgenden Satz zu beweisen.

Satz: Die Cantor-Menge lässt sich in folgender Weise durch triadische Brüche darstellen:

(39)
\begin{align} C=\left\{x\in [0,1]\ \left|\ \exists (c_k)_{k\in\mathbb N}\ :\ x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\ \wedge\ c_k\neq 1\ \forall k\in\mathbb N\right.\right\}. \end{align}

Beweis: Auch hier müssen wir wieder zwei Inklusionen beweisen, die wegen der starken Vorarbeit nun fast trivial sind.

(1) "$\subset$": Sei $x\in C$ und somit auch in $[0,1]$. Dann liegt $x$ in jedem $C_n,n\in\mathbb N_0$. Nach dem Satz über die p-adische Darstellung besitzt $x$ mindestens eine triadische Darstellung

(40)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}, \end{align}

falls nur $x\neq 1$ ist. Für $x=1$ hat man aber

(41)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}. \end{align}

Wir haben also für jedes $x\in C$ eine Darstellung der Form

(42)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

und höchstens eine zweite, andere Darstellung. Angenommen, es gäbe keine Darstellung

(43)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

mit $c_k\neq 1$ für alle $k\in\mathbb N$. Besitzt $x$ nur eine Darstellung, dann müsste es ein $r\in\mathbb N$ geben mit $c_r=1$. Dann wäre aber $x\notin C_r$, im Widerspruch zur Voraussetzung $x\in C$.
Besitzt $x$ zwei Darstellungen

(44)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}=\sum_{k=0}^{\infty}~\frac{d_k}{3^k}, \end{align}

so gibt es minimale $k_0,k_1\in\mathbb N$, sodass $c_{k_0}=d_{k_1}=1$ gilt. Sei $r:=\max \{k_0,k_1\}\geq 1$. Dann liegt $x$ sicher nicht in $C_r$, was wiederum einen Widerspruch zu $x\in C$ enthielte. Also muss $x$ doch eine solche Darstellung besitzen.

(2) "$\supset$": Diese Inklusion ist genauso einfach wie die vorangegange, im Gegensatz zu dieser allerdings nicht mit so viel Schreibarbeit verbunden. Besitzt nämlich $x$ eine Darstellung, wie im Satz angegeben, so gilt $x\in C_n$ für alle $n\in\mathbb N_0$. Damit liegt $x$ aber automatisch auch in $C$ aufgrund der Definition der Cantor-Menge. $\Box$

Ein weiterer Beweis für die Abgeschlossenheit der Cantor-Menge

Wir hatten weiter oben schon auf zwei verschiedene Arten gesehen, dass die Cantor-Menge abgeschlossen ist. Es gibt noch eine dritte Möglichkeit, dies mithilfe der triadischen Charakterisierung zu beweisen (man vergewissere sich, dass wir zu ihrer Herleitung nirgends die Abgeschlossenheit der Cantor-Menge benutzt haben).

Im Folgenden seien alle Bruchdarstellungen jeglicher Zahlen triadische Darstellungen!

Wir behaupten nun, dass $C$ abgeschlossen und damit $X:=[0,1]\setminus C$ offen ist, was bedeutet, dass es zu jedem $a\in X$ ein offenes, den Punkt $a$ enthaltendes Intervall $I(a)$ gibt, das vollständig in $X$ liegt, d.h. dass keine Punkte von $C$ in $I(a)$ liegen. Da alle drei Aussagen des letztens Satzes äquivalent sind, reicht es, wenn wir nur die letzte beweisen.

Sei also $a\in X$ ein beliebiger Punkt. Dann besitzt $a$ eine triadische Entwicklung

(45)
\begin{align} a=0,a_1a_2\ldots=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{a_k}{3^k}. \end{align}

Da $a\notin C$, gibt es in dieser Entwicklung eine Ziffer hinter dem Komma, die sowohl ungleich Null als auch ungleich Zwei und somit gleich Eins ist. Sei $n\in\mathbb N$ minimal gewählt, sodass $a_n=1$ gilt. Für alle $k<n$ ist dann $a_k\in\{0,2\}$. Dann gibt es zunächst ein $r>n$, sodass $a_r\neq 2$. Denn gäbe es das nicht, so wäre $a_k=2$ für alle $k>n$ und damit erhielte man

(46)
\begin{align} a=0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{2}&=0,a_1\ldots a_{n-1}+\sum_{k=n}^{\infty}~\frac{a_k}{3^k}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}+\frac{2}{3^{n+1}}\sum_{i=0}^{\infty}~\frac{1}{3^i}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot\frac{1}{1-\frac{1}{3}}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}+\frac{2}{3^n}\frac{1}{3-1}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}+\frac{1}{3^n}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{2}{3^n}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}2\overline{0}. \end{align}

Somit hätten wir aber eine triadische Darstellung von $a$, in der nur Nullen und Zweien vorkämen, womit $a\in C$ wäre. Widerspruch! Also muss es ein solches $r$ tatsächlich geben und o.B.d.A. können wir uns $r$ mit der gegebenen Eigenschaft minimal denken.

Ganz entsprechend gibt es auch ein $s>n$, sodass $a_s\neq 0$ gilt, denn gäbe es dies nicht, so wären alle $a_k=0$, falls nur $k>n$ ist. Dann erhielten wir aber:

(47)
\begin{align} a=0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{0}&=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{1}{3^n}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{3}{1}\cdot \frac{1}{2}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{1}{\frac{1}{3}}\cdot \frac{1}{3-1}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{3}}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \sum_{i=0}^{\infty}~\frac{1}{3^i}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}+\frac{0}{3^n}+\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}\cr &=0,a_1\ldots a_{n-1}0\overline{2}. \end{align}

Auch hier erhielten wir eine sämtlich aus Nullen und Zweien bestehende triadische Darstellung von $a$, im Widerspruch zur Annahme $a\notin C$. Es gibt also auch ein kleinstes $s>n$ mit $a_s\neq 0$

Wir halten fest: Für jedes (beliebige, aber feste) $a\in X$ mit der triadischen Darstellung

(48)
\begin{align} a=0,a_1a_2\ldots \end{align}

finden wir einen minimalen Index $n$, sodass $a_n=1$, und zu diesem minimale Indizes $r,s>n$ mit $a_r\neq 2$ und $a_s\neq 0$.
Nun seien

(49)
\begin{align} b:=0,a_1\ldots a_{n-1}0\overline{2}=0,a_1a_2\ldots a_{n-1}1\overline{0},\cr c:=0,a_1\ldots a_{n-1}2\overline{0}=0,a_1a_2\ldots a_{n-1}1\overline{2}. \end{align}

Diese beiden Zahlen liegen in $C$, was sich aus ihrer Definition ergibt.

Wegen $a_s\neq 0$ und $a_k=0$ für $n<k<s$ gilt:

(50)
\begin{align} b=0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{0}&=0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{0\ldots 0}_{s-n-1}0\overline{0}\cr \cr &\leq 0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{0\ldots 0}_{s-n-1}0a_{s+1}\ldots\cr \cr &<0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{0\ldots 0}_{s-n-1}a_sa_{s+1}\ldots=a\cr \end{align}

Ganz entsprechend erhalten wir aus $a_r\neq 2$ und $a_k=2$ für $n<k<r$:

(51)
\begin{align} c=0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{2}&=0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{2\ldots 2}_{r-n-1}2\overline{2}\cr \cr &\geq 0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{2\ldots 2}_{r-n-1}2a_{r+1}\ldots\cr \cr &>0,a_1\ldots a_{n-1}1\underbrace{2\ldots 2}_{r-n-1}a_ra_{r+1}\ldots=a. \end{align}

Das bedeutet, dass wir folgende Ungleichung haben:

(52)
\begin{equation} b<a<c. \end{equation}

Wir nehmen uns eine beliebige Zahl aus $C$ und wollen zeigen, dass diese Zahl außerhalb des Intervalls $(b,c)$ liegt, dass also $b$ die größte aller Zahlen aus $C$ ist, die kleiner ist als das gegebene $a$, und entsprechend, dass $c$ die kleinste Zahl der Cantor-Menge ist, die größer als $a$ ist.
Die beliebig aus $C$ gewählte Zahl kann nicht gleich $a$ sein, denn $a$ selbst liegt ja nicht in der Cantor-Menge.
Angenommen, sie ist kleiner als $a$. Wir nennen sie $b'$. Für $b'$ gilt also:

(53)
\begin{align} \begin{align} &b'\in C\cr &b'<a. \end{align}

$b'$ besitzt zunächst als Element der Cantor-Menge eine sämtlich aus Nullen und Zweien bestehende triadische Darstellung

(54)
\begin{align} b'=0,b_1b_2\ldots b_nb_{n+1}\ldots. \end{align}

Ist $b_k<a_k$ für ein $k$ mit $1\leq k<n$, so gibt es zunächst ein kleinstes solches $k'$ und wegen $a_{k'},b_{k'}\in\{0,2\}$ gilt gezwungenermaßen:

(55)
\begin{align} b_{k'}=0\quad\text{und}\quad a_{k'}=2. \end{align}

Dann ist aber (man beachte $b_i=a_i$ für $1\leq i<k'$)

(56)
\begin{align} &b'=0,b_1\ldots b_{k'-1}0b_{k'+1}\ldots\leq 0,b_1\ldots b_{k'-1}0\overline{2}=0,a_1\ldots a_{k'-1}1\overline{0}<0,a_1\ldots a_{k'-1}2\overline{0}\cr \cr &=0,a_1\ldots a_{k'-1}a_{k'}\underbrace{0\ldots 0}_{n-k'-1}0\overline{0}\ldots\leq 0,a_1\ldots a_{n-1}0\overline{0}<0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{0}=b. \end{align}

In diesem Fall ist also

(57)
\begin{equation} b'<b. \end{equation}

Nun gelte für alle $k$ mit $1\leq k<n$ die Gleichung $a_k=b_k$ ($b_k>a_k$ kann sicher nicht gelten, da sonst $b'>a$ wäre). Wegen $a_n=1$ muss $a_n\neq b_n$ sein. Wäre $b_n=2>1=a_n$, so folgte

(58)
\begin{align} b'=0,b_1\ldots b_{n-1}b_nb_{n+1}\ldots=0,a_1\ldots a_{n-1}2b_{n+1}\ldots\geq 0,a_1\ldots a_{n-1}2\overline{0}=c>a, \end{align}

was wegen der Annahme aber unmöglich ist. Also muss $b_n=0$ sein!
Dann ist aber

(59)
\begin{align} b'=0,b_1\ldots b_{n-1}b_nb_{n+1}\ldots=0,a_1\ldots a_{n-1}0b_{n+1}\ldots\leq 0,a_1\ldots a_{n-1}0\overline{2}=b. \end{align}

Wir haben somit gezeigt: Ist $b'\in C$ und $b'<a$, so ist $b'\leq b$.

Ganz entsprechend zeigen wir folgendes: Angenommen, die beliebig aus der Cantor-Menge gewähle Zahl sei nun größer als $a$. Wir nennen sie $c'$. Für $c'$ gilt also:

(60)
\begin{align} \begin{align} &c'\in C\cr &c'>a. \end{align}

$c'$ besitzt zunächst als Element der Cantor-Menge eine sämtlich aus Nullen und Zweien bestehende triadische Darstellung

(61)
\begin{align} c'=0,c_1c_2\ldots c_nc_{n+1}\ldots. \end{align}

Ist $c_k>a_k$ für ein $k$ mit $1\leq k<n$, so gibt es zunächst ein kleinstes solches $k'$ und wegen $a_{k'},c_{k'}\in\{0,2\}$ gilt gezwungenermaßen:

(62)
\begin{align} c_{k'}=2\quad\text{und}\quad a_{k'}=0. \end{align}

Dann ist aber (man beachte $c_i=a_i$ für $1\leq i<k'$)

(63)
\begin{align} &c'=0,c_1\ldots c_{k'-1}2c_{k'+1}\ldots\geq 0,c_1\ldots c_{k'-1}2\overline{0}=0,a_1\ldots a_{k'-1}1\overline{2}>0,a_1\ldots a_{k'-1}0\overline{2}\cr \cr &=0,a_1\ldots a_{k'-1}a_{k'}\underbrace{2\ldots 2}_{n-k'-1}2\overline{2}\ldots\geq 0,a_1\ldots a_{n-1}2\overline{2}>0,a_1\ldots a_{n-1}1\overline{2}=c. \end{align}

In diesem Fall ist also

(64)
\begin{equation} c'>c. \end{equation}

Nun gelte für alle $k$ mit $1\leq k<n$ die Gleichung $a_k=c_k$ ($c_k<a_k$ kann sicher nicht gelten, da sonst $c'>a$ wäre). Wegen $a_n=1$ muss $a_n\neq c_n$ sein. Wäre $c_n=0<1=a_n$, so folgte

(65)
\begin{align} c'=0,c_1\ldots c_{n-1}c_nc_{n+1}\ldots=0,a_1\ldots a_{n-1}0c_{n+1}\ldots\leq 0,a_1\ldots a_{n-1}0\overline{2}=b<a, \end{align}

was wegen der Annahme aber unmöglich ist. Also muss $c_n=2$ sein!
Dann ist aber

(66)
\begin{align} c'=0,c_1\ldots c_{n-1}c_nc_{n+1}\ldots=0,a_1\ldots a_{n-1}2c_{n+1}\ldots\geq 0,a_1\ldots a_{n-1}2\overline{0}=c. \end{align}

Wir haben auch hier gezeigt: Ist $c'\in C$ und $c'>a$, so ist $c'\geq c$.

Für jedes $a\in X=[0,1]\setminus C$ haben wir also ein $a$ enthaltendes, offenes Intervall $I(a)$ gefunden, sodass keines der Elemente der Cantor-Menge in diesem Intervall liegt, sodass also $C\cap I(a)=\varnothing$ ist. Ein solches (es ist sogar das "größte", d.h. alle anderen offenen Intervalle mit dieser Eigenschaft sind Teilmenge von $I(a)$) ist nämlich

(67)
\begin{equation} I(a)=(b,c). \end{equation}

Die Cantor-Menge ist insichdicht

Eine Menge $M\subset X$ liegt nach Definition genau dann dicht in $X$, wenn jeder Punkt $x\in X$ Häufungspunkt von $M$ ist.
Eine Menge $M$ nennen wir nun genauer insichdicht, wenn jeder Punkt von $M$ Häufungspunkt von $M$ selbst ist. Damit gilt:

Satz: Die Cantor-Menge ist insichdicht.

Beweis: Sei $x\in C$ ein beliebiger Punkt und $\varepsilon>0$ beliebig. Wir wählen ein $n\in\mathbb N$, sodass $\frac{1}{3^n}<\varepsilon$ ist. Es gibt nun eine triadische Darstellung

(68)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

mit $c_k\neq 1$ für $k\in\mathbb N$. Dann liegt natürlich auch die Zahl

(69)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^n~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

in $C$ und wegen

(70)
\begin{align} |y-x|=\left|\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}-\sum_{k=1}^n~\frac{c_k}{3^k}\right|=\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k}\leq\sum_{k=n+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}=\frac{2}{3^{n+1}}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{3}}=\frac{1}{3^n}<\varepsilon \end{align}

liegt $y$ in der $\varepsilon$-Umgebung von $x$. Da $\varepsilon>0$ beliebig war, liegt in jeder Umgebung um $x$ ein Element der Cantor-Menge. Damit ist $x$ aber Häufungspunkt ebendieser. Da $x\in C$ ebenfalls beliebig war, gilt dies für alle Elemente von $C$. $\Box$

Die Cantor-Funktion

Definition

Für jedes $x\in C$ existiert genau eine Darstellung

(71)
\begin{align} x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

mit $c_k\neq 1$ für alle $k\in\mathbb N$ (siehe den letzten Absatz des Beweises über die p-adische Darstellung reeller Zahlen). Auf dieser Grundlage ist es möglich, folgende Funktion zu definieren, wobei $x$ die gerade angegebene Darstellung habe.

(72)
\begin{align} &\varphi:C\to [0,1]\cr &\varphi(x):=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{2^{k+1}}=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{\frac{c_k}{2}}{2^k}. \end{align}

Man nennt dies die Cantor-Funktion.
Wir machen uns zunächst klar, was diese Funktion bewirkt. Sie überführt den triadischen Bruch, der nur aus Nullen und Zweien besteht, in einen dualen Bruch, indem sie die Nullen auf Nullen und die Zweien auf Einsen abbildet und dies in die duale Bruchdarstellung "einträgt". Ein Beispiel: Es ist

(73)
\begin{align} \frac{1}{4}=2\cdot\frac{1}{9-1}=\frac{2}{9}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{3^2}}=\frac{2}{9}\cdot\sum_{k=0}^{\infty}~\frac{1}{3^{2k}} =\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{2}{3^{2k}}=(0,020202\ldots)_3=(0,\overline{02})_3. \end{align}

Daraus folgt:

(74)
\begin{align} \varphi\left(\frac{1}{4}\right)=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{\frac{2}{2}}{2^{2k}}=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{1}{4^k}=\frac{1}{4}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{4}}=\frac{1}{3} \end{align}

oder in Bruchdarstellung:

(75)
\begin{align} \varphi((0,020202\ldots)_3)=(0,010101\ldots)_2=\sum_{k=1}^{\infty}\frac{1}{2^{2k}}=\frac{1}{3}. \end{align}

Wir wollen nun einige Eigenschaften dieser Funktion beweisen, deren Definitionsbereich ja nicht mal ein Intervall enthält. Wir werden überaus überraschende Ergebnisse erhalten, z.B. dass die Funktion überall stetig ist und sogar eine stetige Fortsetzung auf $[0,1]$ besitzt.

Monotonie

Satz: Die Cantor-Funktion ist auf $C$ monoton steigend.

Beweis: Seien $x,y\in C$ mit $x<y$. Dann gibt es zunächst eindeutig bestimmte Darstellungen

(76)
\begin{align} &x=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{a_k}{3^k}\cr &y=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{b_k}{3^k}\cr \end{align}

mit $a_k,b_k\neq 1$ für alle $k\in \mathbb N$. Die Menge $A:=\{k\in\mathbb N\ |\ a_k\neq b_k\}$ ist wegen $x\neq y$ nichtleer und besitzt somit nach dem Wohlordnungsprinzip ein Minimum $m=\min A$. Wäre $a_m>b_m$ und damit $a_m=2,b_m=0$, so erhielten wir:

(77)
\begin{align} y&=\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{b_k}{3^k}+\sum_{k=m+1}^{\infty}~\frac{b_k}{3^k}\leq \sum_{k=1}^{m-1}~\frac{b_k}{3^k}+\sum_{k=m+1}^{\infty}~\frac{2}{3^k}=\left(\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{a_k}{3^k}\right)+\frac{1}{3^m}\cr &<\left(\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{a_k}{3^k}\right)+\frac{2}{3^m}=\sum_{k=1}^m~\frac{a_k}{3^k}\leq \sum_{k=1}^{\infty}~\frac{a_k}{3^k}=x,\cr \end{align}

Widerspruch! Also muss $a_m<b_m$ und damit $a_m=0,b_m=2$ sein. Daraus folgt

(78)
\begin{align} \varphi(x)&=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}=\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}+\sum_{k=m+1}^{\infty}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}\leq \sum_{k=1}^{m-1}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}+\sum_{k=m+1}^{\infty}~\frac{1}{2^k}\cr &=\left(\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}\right)+\frac{1}{2^{m+1}}\cdot \frac{1}{1-\frac{1}{2}}=\left(\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}\right)+\frac{1}{2^m}\cr &=\left(\sum_{k=1}^{m-1}~\frac{\frac{a_k}{2}}{2^k}\right)+\frac{\frac{b_m}{2}}{2^m}=\sum_{k=1}^m~\frac{\frac{b_k}{2}}{2^k}\leq \sum_{k=1}^{\infty}~\frac{\frac{b_k}{2}}{2^k}=\varphi(y)\cr \end{align}

und wir erkennen $\varphi$ als wachsend an. $\Box$

Surjektivität

Auch die Aussage, dass $\varphi$ surjektiv sein soll, ist erstaunlich, angesichts der Tatsache, dass $C$ doch eine Nullmenge ist. Hält man sich allerdings die Überabzählbarkeit der Cantor-Menge vor Augen (allerdings werden wir erst mithilfe dieser Abbildung beweisen, dass sie überabzählbar ist), so ist es klar, dass es eine surjektive Abbildung geben muss.

Satz: Die Cantor-Funktion bildet surjektiv auf das Intervall $[0,1]$ ab.

Beweis: Sei $u\in [0,1]$ beliebig. Dann besitzt $u$ eine duale Bruchdarstellung

(79)
\begin{align} u=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{u_k}{2^k}, \end{align}

d.h. alle $u_k$ liegen in $\{0,1\}$. Sei $c_k=2u_k$ für $k\in\mathbb N$. Dann ist

(80)
\begin{align} x:=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{c_k}{3^k} \end{align}

wegen $c_k\in\{0,2\}$ für alle $k\in\mathbb N$ ein Element der Cantormenge und es gilt:

(81)
\begin{align} \varphi(x)=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{\frac{c_k}{2}}{2^k}=\sum_{k=1}^{\infty}~\frac{u_k}{2^k}=u. \end{align}

Da $u\in [0,1]$ beliebig war, ist $\varphi$ somit surjektiv. $\Box$

Stetigkeit

Da eine monotone Funktion höchstens sprunghafte Unstetigkeiten besitzen kann, muss sie notwendigerweise stetig sein, wenn sie auch noch surjektiv ist. Dies ist anschaulich sofort einleuchtend. Wir wollen den Beweis an dem Beispiel der Cantor-Funktion durchführen.

Satz: Die Cantor-Funktion ist stetig auf ganz $C$.

Beweis: Sei $x_0\in C$ beliebig, aber fest, und $\varepsilon>0$ beliebig vorgegeben.

1. Fall: $x_0=0$. Dann ist $\varphi(x_0)=0$. O.B.d.A. sei $\varepsilon<1$. Dann gibt es ein $x_1\in C,\ x_1>0$ mit $\varphi(x_1)=\varepsilon$ (Surjektivität von $\varphi$!). Sei $\delta:=x_1-x_0=x_1>0$. Für alle $x\in C, 0\leq x<\delta$ gilt dann wegen des monotonen Wachsens von $\varphi$:

(82)
\begin{align} \varphi(0)\leq \varphi(x)\leq \varphi(x_1)=\varepsilon=\varphi(0)+\varepsilon. \end{align}

Damit ist $\varphi$ in $0$ stetig.

2. Fall: $x_0=1$. Dann ist $\varphi(x_0)=1$. O.B.d.A. sei wieder $\varepsilon<1$. Dann gibt es, wiederum wegen der Surjektivität von $\varphi$, ein $x_1\in C,\ x_1<1$ mit $\varphi(x_1)=1-\varepsilon$. Sei $\delta:=x_0-x_1=1-x_1>0$. Für alle $x\in C, x_0-\delta=x_1<x\leq x_0$ gilt dann wegen des monotonen Wachsens von $\varphi$:

(83)
\begin{align} \varphi(1)-\varepsilon=1-\varepsilon=\varphi(x_1)\leq \varphi(x)\leq \varphi(1)=1. \end{align}

Somit ist $\varphi$ auch in $1$ stetig.

3. Fall: Sei $0<x_0<1$ und o.B.d.A. $\varepsilon>0$ so klein, dass $[\varphi(x_0)-\varepsilon,\varphi(x_0)+\varepsilon]\subset [0,1]$ ist, d.h. $\varepsilon\leq \min\{\varphi(x_0),1-\varphi(x_0)\}$. Dann gibt es zu $\varphi(x_0)-\varepsilon$ ein $x_1<x_0,\ x_1\in C$ mit $\varphi(x_1)=\varphi(x_0)-\varepsilon$ und zu $\varphi(x_0)+\varepsilon$ ein $x_2>x_0,\ x_2\in C$ mit $\varphi(x_2)=\varphi(x_0)+\varepsilon$ (Surjektivität von $\varphi$!). Sei $\delta:=\min \{x_0-x_1,x_2-x_0\}$. Für $x\in C$ mit $x_0-\delta<x<x_0+\delta$ folgt $x_1<x<x_2$ und somit

(84)
\begin{align} \varphi(x_0)-\varepsilon=\varphi(x_1)\leq \varphi(x)\leq \varphi(x_2)=\varphi(x_0)+\varepsilon. \end{align}

Das ist aber die Stetigkeit von $\varphi$ in $x_0\in C, 0<x_0<1$.

Wir erkennen insgesamt also, dass die Cantor-Funktion stetig ist. $\Box$

Überabzählbarkeit der Cantor-Menge

Satz: Die Cantor-Menge ist überabzählbar (bzw. 'sogar' gleichmächtig zu $\mathbb R$).

Beweis: Die Cantor-Funktion $\varphi:C\to [0,1]$ ist surjektiv. Für jedes $u\in [0,1]$ findet man also mindestens ein $x\in C$ mit $\varphi(x)=u$. Man kann somit eine injektive Abbildung $\alpha:[0,1]\to C$ finden, indem man $\alpha(u)=x$ setzt für ein bestimmtes $x\in C$ mit $\varphi(x)=u$.
Andererseits ist die Funktion $\beta:C\to [0,1]$ mit $\beta(x)=x$ eine injektive Abbildung von $C$ in $[0,1]$. Nach dem Cantor-Bernstein-Schröder-Theorem sind die Mengen $C$ und $[0,1]$ somit gleichmächtig und da $[0,1]$ gleichmächtig zu $\mathbb R$ ist, gilt dies auch für die Cantor-Menge. $\Box$

Stetige Fortsetzung der Cantor-Funktion

Wir wollen nun zeigen, dass die Cantor-Funktion auf das gesamte Intervall $[0,1]$ stetig fortsetzbar ist. Die dadurch entstehende Funktion wird ebenfalls Cantor-Funktion genannt, was wir im Folgenden auch tun werden.

Satz: Die Funktion $\varphi:C\to [0,1]$ besitzt eine stetige Fortsetzung $f:[0,1]\to [0,1]$.

Beweis: Sei $x\in [0,1]\setminus C$ beliebig, aber fest. Wir wissen, dass die Menge $[0,1]\setminus C$ offen ist. Es existiert also eine offene Umgebung $U(x)\subset [0,1]\setminus C$. $U(x)$ ist natürlich ein Intervall. Sei

(85)
\begin{align} I(x):=\bigcup_{x\in I'}~I' \end{align}

die Vereinigung aller offenen Intervalle, die $x$ enthalten und für die gilt: $I'\cap C=\varnothing$, was wegen $0,1\in C$ gleichbedeutend zu $I'\subset [0,1]\setminus C$ ist. $I(x)$ ist dann wieder ein offenes Intervall, welches natürlich $x$ enthält und dessen Randpunkte zu $C$ gehören (zum Beweis dieser Aussage siehe hier). Es gibt also $a,b\in [0,1]$ mit $I(x)=(a,b)$ und $a,b\in C$.

Wäre nun $\varphi(a)<\varphi(b)$, so wäre $\varphi$ wegen $C\cap (a,b)=\varnothing$ nicht surjektiv, denn zu $u:=\frac{\varphi(a)+\varphi(b)}{2}\in [0,1]$ gäbe es kein $x\in C$ mit $\varphi(x)=u$ (man beachte die Monotonie!). Somit muss also $\varphi(a)=\varphi(b)$ sein. $f:[0,1]\to [0,1]$ wird nun definiert, indem wir $f(x)=\varphi(a)=\varphi(b)$ für das feste $x$ setzen. Außerdem sei $f(c)=\varphi(c)$ für $c\in C$. Für jedes andere $y\in I(x)$ ist natürlich konstruktionsgemäß $I(x)=I(y)$ und damit $f(y)=f(x)=\varphi(a)=\varphi(b)$. $f$ ist also auf jedem abgeschlossenen Intervall $\overline{I}=[a,b]$ mit $I=(a,b)\subset [0,1]\setminus C$ konstant und damit in jedem Punkt $x\in [0,1]\setminus C$ trivialerweise stetig. Die Stetigkeit von $f$ in den Punkten $x\in C$ ergibt sich wieder aus der Tatsache, dass mit $\varphi$ natürlich auch die Funktion $f$ surjektiv und monoton steigend ist. Der Beweis über die Stetigkeit von $\varphi$ kann ohne Änderung übertragen werden - man ersetze in ihm nur $C$ durch $[0,1]$. $\Box$

Differenzierbarkeit der Cantor-Funktion

Satz: Die Cantor-Funktion $f$ ist in allen Punkten $x\in [0,1]\setminus C$ differenzierbar und besitzt dort die Ableitung Null. Insbesondere ist sie also fast überall (d.h. bis auf eine Nullmenge) differenzierbar.

Beweis: Sei $x\in [0,1]\setminus C$ beliebig. Wie wir beim Beweis über die stetige Fortsetzbarkeit von $\varphi$ gesehen haben, gibt es eine Umgebung $U(x)$, auf der $f$ konstant ist. Dann ist $f$ aber in $x$ trivialerweise differenzierbar mit Ableitung Null und damit ist schon alles gezeigt. Wegen der Nullmengeneigenschaft von $C$ folgt die zweite Aussage. $\Box$

Integrierbarkeit der (unstetig) fortgesetzten Ableitung der Cantor-Funktion

Nach dem Lebesgueschen Integrabilitätskriterium ist eine Funktion genau dann integrierbar auf einem abgeschlossenen Intervall, wenn sie dort beschränkt und fast überall stetig ist. Jede abzählbare Teilmenge von $\mathbb R$ ist eine Nullmenge. Wie wir an der Cantor-Menge sehen, gibt es aber auch überabzählbare Nullmengen. Es stellt sich die Frage, ob es nun überhaupt eine Funktion auf einem Intervall gibt, die fast überall stetig ist, für die die Menge der Unstetigkeitspunkte jedoch überabzählbar ist. Eine dazu verwandte Frage ist die folgende:
Gibt es zwei reellwertige, integrierbare Funktionen $g,h$ auf dem Intervall $[a,b]$, deren "Ungleichheitsmenge" $K:=\{x\in [a,b]\ |\ g(x)\neq h(x)\}$ eine überabzählbare Nullmenge darstellt? Wenn es sie gibt, sind ihre Integrale natürlich auch gleich.

Mithilfe unserer Ergebnisse über die Cantor-Funktion können wir nun die zweite und auch die erste Frage bejahen, indem wir ihre Ableitung $f':[0,1]\setminus C\to [0,1]$ auf zwei verschiedene Arten auf $[0,1]$ fortsetzen. Wir definieren nämlich für $x\in [0,1]$ folgende Funktionen:

(86)
\begin{align} g(x)=\begin{cases} 1,\quad \text{falls }x\in C \\ 0,\quad \text{falls }x\in X:=[0,1]\setminus C\end{cases}, \end{align}
(87)
\begin{equation} h(x)=0. \end{equation}

$g$ und $h$ stimmen auf $[0,1]\setminus C$ mit $f'$ überein, was aber für unsere Belange nicht direkt von Bedeutung ist.
Wichtig für die Fragestellung sind hingegen folgende Eigenschaften:
(1) Die Menge $K:=\{x\in [a,b]\ |\ g(x)\neq h(x)\}$ ist gleich der Cantor-Menge, also eine überabzählbare Nullmenge.
(2) $g$ und $h$ sind integrierbar. Für $h$ ist das trivial. Bei $g$ argumentieren wir mit der Offenheit von $[0,1]\setminus C$. Für jedes $x\in [0,1]\setminus C$ existiert nämlich eine Umgebung $U(x)$ mit $U(x)\subset [0,1]\setminus C$. Auf $U(x)$ ist dann $g$ konstant gleich Null und damit insbesondere in $x$ stetig. Da $x\in [0,1]\setminus C$ beliebig war, haben wir die Stetigkeit von $g$ auf $[0,1]\setminus C$ und damit fast überall auf $[0,1]$. Da $g$ beschränkt ist, folgt nun aus dem Lebesgueschen Integrabilitätskriterium die Integrierbarkeit von $g$.

Des Weiteren ist $g$ auch eine Lösung für die erste Frage, denn die Menge der Unstetigkeitspunkte von $g$ ist gerade $C$. Dies sieht man so: Wegen der Nullmengeneigenschaft kann $C$ kein Intervall enthalten, d.h. in jeder Umgebung eines beliebigen Punktes $x\in C$ liegt ein Punkt $y\in [0,1]\setminus C$. (Denn wäre dies nicht der Fall, so gäbe es einen Punkt $x_0\in C$ und ein $\delta_0>0$ mit $U_{\delta_0}(x_0)\subset C$. Dann würde man aber zu $\varepsilon_0:=2\delta_0$ keine (höchstens) abzählbar vielen Intervalle finden, die $C$ überdecken könnten und deren Längensumme $<\varepsilon_0$ bliebe, weil die Längensumme ja mindestens $2\delta_0=\varepsilon_0$ beträge. $C$ wäre also keine Nullmenge, Widerspruch!) Wegen $g(x)\neq 0$ und $g(y)=0$ kann $g$ dann in $x$ aber nicht stetig sein. Damit ist die Menge der Unstetigkeitsstellen von $g$ tatsächlich eine überabzählbare Nullmenge. $\Box$

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